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Dracula - Jagd der Vampire
(E 423)

mit

Dracula - Die Geschichte des berühmten Vampirs
(E 2099 / 115 586)

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Seite 2

Erzähler: Einige Tage später. Jonathan Harker war die Flucht vom Schlosse Draculas geglückt, und er hatte sich nach London durchschlagen können. Jetzt saß er mit seiner Verlobten Mina Murray und Professor Abraham Van Helsing zusammen, einem niederländischen Gelehrten von der Universität Leiden, dessen Bekanntschaft und Hilfe ihm ein Freund vermittelt hatte. Van Helsing war hauptsächlich Mediziner; seine privaten Studien aber galten seit einiger Zeit vornehmlich der Mystik und allen irgendwie bekannten Erscheinungsformen abergläubischer Vorstellungen der Völker. Gerade sagte er:
   
Van Helsing: Es war gut, mein lieber Harker, daß Sie mich nach London riefen und mir von Ihren grauenvollen Erlebnissen berichtet haben.
Mina: Ja, glauben Sie denn, daß es diesen ... diesen Dracula wirklich gibt, Professor?
Van Helsing: Ich nehme zwar an, daß kaum ein anderer Gelehrter Ihren Erzählungen Glauben schenken würde, denn die Sache ist zu ungeheuerlich.
Mina: Ja, eben!
Van Helsing: Aber es ist etwas geschehen, das mir jeden Zweifel an der Existenz des Vampirs raubt.
Mina: Was ist das, Professor? Um Gottes Willen, wovon sprechen Sie?
Van Helsing: Nun, Dracula ist in England.
Harker: Mein Gott.
Mina: Was sagen Sie?
Harker: Und?
Van Helsing: Heute nacht, während des unheimlichen Sturms, ist im Hafen ein führerloses Schiff eingelaufen.
Mina: Führerlos! Wieso?
Van Helsing: Genauer gesagt: ein Schiff, das auf seiner Fahrt vom Schwarzen Meer her durch die Anwesenheit eines schrecklichen, ungeheuerlichen Wesens nach und nach die Besatzung verloren hat ...
Mina: (schreit auf.)
Van Helsing: ... wie aus dem Logbuch des Kapitäns hervorgeht, der als letzter sein Leben lassen mußte und dessen Leiche, ans Steuer gebunden, aufgefunden wurde.
Mina: Nein!
Harker: Entsetzlich. Und wo ist Dracula jetzt?
Van Helsing: Zeugen der unheimlichen Schiffsankunft behaupten, es sei ein Hund von Bord gesprungen.
Mina: Ein Hund!
Van Helsing: Ein wolfsähnlicher Hund, der sofort das Weite gesucht hätte.
Mina: Sie meinen, dieser Hund ist Dracula?!
Van Helsing: Natürlich ahnt kein Mensch etwas von dem Vampir, der nun unter uns ist.
Harker: Wir müssen Dracula unverzüglich finden und vernichten, koste es, was es wolle, oder London erlebt eine Bluthochzeit ohnegleichen.
   
  (Orgelmusik. Synthesizer-Musik.)
Erzähler: In der folgenden Nacht hörte Lucy Westenraa, die Freundin von Jonathan Harkers Verlobten Mina, vor dem Fenster ihres Schlafzimmers etwas wie ein Flattern.
  (Heulender Wind.)
  Sie öffnete das Fenster, konnte aber in der Dunkelheit nichts wahrnehmen und legte sich schlafen. Wenig später schwebte eine unnatürlich große Fledermaus ins Zimmer, und Sekunden darauf sah Lucy im Halbschlaf eine schwarze Gestalt über sich gebeugt.
  (Synthesizer-Musik.)
  Im Banne des Unheimlichen flüsterte sie:
   
Lucy: Wer bist du? Was willst du von mir?
Dracula: Dich will ich, schönes Kind. Ich werde dich küssen, so feurig, daß du dich bald nach dem Leben sehnen wirst, so lebenstrunken als Toter ... (kichert)
Lucy: Nein, laß mich. Ich fürchte mich vor dir ...
Dracula: Warte nur meine Umarmung und meinen Kuß ab, dann liebst du mich für immer. Komm, laß mich deinen weißen Schwanenhals küssen ... (Dracula beißt sie.)
Lucy: (stöhnt auf.)
Dracula: Ja, jaaa, hm, jaaa ...
Lucy: (stöhnt erneut auf.)
Dracula: Das war gut, Lucy. Und wir sehen uns wieder, meine Schöne.
   
  (Orgelmusik.)
Erzähler: Am nächsten Tag erwachte Lucy derart geschwächt, daß Mina, die ihre Freundin gerade besuchte, sofort Professor Van Helsing zu Hilfe holte. Der untersuchte das Mädchen, wonach er Mina schreckensbleich mitteilte:
   
  (Tür wird geöffnet. Schritte.)
Mina: Um Gottes Willen, Professor, was ist mit Lucy?
Van Helsing: Kein Zweifel! Dracula war bei ihr.
Mina: Grauenvoll.
Van Helsing: Wenn sie noch zu retten ist, müssen wir sofort eine Bluttransfusion vornehmen.
Mina: Bitte, Professor, tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht.
Van Helsing: Ich kann allerdings nicht für ihr Wohl garantieren, wenn der Vampir sie weiterhin aufsucht, und das wird er versuchen.
Mina: Was sollen wir tun?
Van Helsing: Es muß also nachts ständig jemand bei ihr Wache halten.
   
Erzähler: Doch alle Vorsichtsmaßnahmen wurden von Draculas scharfsinnigem und listigen Hirn durchkreuzt. Es gelang dem Vampir noch ein paarmal, sich Lucy zu nähern, bis sie endlich nach vierzehn Tagen an Blutarmut starb. Am Tage nach ihrer Beerdigung rief Professor Van Helsing Jonathan Harker zu sich. Mit ernstem Gesicht erklärte er ihm:
   
Van Helsing: Was ich befürchtet habe, ist eingetreten.
Harker: Sprechen Sie, Professor.
Van Helsing: Ich habe die vergangene Nacht auf dem Friedhof zugebracht und Lucys Grab bewacht. Harker, Lucy ist durch die Begegnungen mit Dracula selbst zu einer Nichttoten geworden, die nachts ihre letzte Ruhestätte verläßt, um auf Beute auszugehen.
Harker: Ich hatte es befürchtet. Gibt es denn keine Möglichkeit, Professor, ihrer armen Seele Frieden zu geben?
Van Helsing: Es gibt eine Möglichkeit. Die Erfahrungen und Kenntnisse derer, die sich vor Jahrhunderten schon mit dem Studium der Nichttoten befaßt haben, weisen einen ... nicht leichten Weg, den Nosferatu, wie man den Vampir in Osteuropa nennt, zu erlösen. Wollen Sie mir helfen, Harker, dies Werk an Lucy zu tun, so kommen Sie heute nacht mit mir auf den Friedhof. Vielleicht finden wir dort auch eine Spur dessen, der sie zu seinem Opfer machte.
   
  (Orgelmusik.)
Erzähler: Nach Mitternacht drangen die zwei Männer auf dem Friedhof in die Gruft ein, die Lucys Sarg beherbergte.
   
Van Helsing: Öffnen wir den Sarg, Harker. Ja ...
  (Hämmern. Der Sarg wird geöffnet.)
Harker: (atmet aus.) Leer!
Van Helsing: Ach! (atmet aus.) Wir müssen also auf sie warten. Gehen wir nach draußen.
   
Erzähler: Nach zwei Stunden nahmen die beiden im fahlen Mondlicht eine Bewegung an der Friedhofsmauer wahr. Erregt flüsterte Harker:
   
  (Schritte. Heulender Wind.)
Harker: Dort! Sehen Sie, Van Helsing, eine Gestalt in weißen Leinentüchern.
Van Helsing: Sie ist es.
Harker: Das Gespenst kommt näher.
  (Synthesizer-Musik.)
Van Helsing: Es trägt ein Bündel im Arm.
Harker: Unheimlich erinnert es mich an jenes Kind, das Dracula damals seinen Vampirbräuten vorwarf.
Van Helsing: Auch jetzt ist es ein Kind, Harker. Da! Sie hat uns erkannt.
Harker: Mein Gott! Wie roh sie das Bündel zur Erde wirft! Und jetzt? Jetzt eilt sie mit wehenden Totenkleidern auf uns zu! Herr im Himmel, hilf! Da, was ruft sie mir zu?
Lucy: Komm, Jonathan! Komm zu mir! Ich sehne mich nach dir. Laß uns beieinander ruhen ...
Harker: Ja, Lucy, komm zu mir ...
Van Helsing: Harker, um Gottes Willen, geraten Sie nicht in ihren Bann! Sehen Sie nicht die messerscharfen Vampirzähne, die ihr gewachsen sind? Erkennen Sie nicht die wollüstig grausamen Gesichtszüge?
Lucy: Hör nicht auf ihn, Jonathan! Ich komme zu dir!
Van Helsing: Halt ein, Vampir! Ich muß ihr das geweihte Kreuz entgegenstrecken. Da! Siehst du das heilige Zeichen? Zurück!
Lucy: (schreit auf.) Laß mir meine Ruhe, Christ! Laß mich zurück in meinen Sarg!
Van Helsing: Mir nach, Harker!
  (Schritte.)
  Geht es Ihnen besser?
  (Schritte.)
Harker: Danke, ja.
  (Sie öffnen erneut den Sarg.)
Sehen Sie, Professor? Sie liegt bereits wieder im Sarg. Es sieht aus, als schliefe sie. Was, äh, was packen Sie dort aus Ihrer Tasche? Was haben Sie vor, Professor?
Van Helsing: Ich muß sie pfählen, ihr diesen Holzpflock ins Herz treiben. Nur so kann sie erlöst werden.
Harker: Schrecklich.
Van Helsing: Es muß sein.
  (Hämmern.)
Lucy: (schreit auf.)
  (Van Helsing hämmert weiter.)
(schreit schwächer, seufzt, atmet aus.)
Van Helsing: Sehen Sie, Harker, wie ihr Gesichtsausdruck sich verklärt hat?
Harker: Ja. Nun ist sie wieder die Lucy, die ich kannte. Jetzt hat sie ihren Frieden. Aber sehen Sie, Professor! Draußen vorm Eingang des Gewölbes! Dracula!
  (Synthesizer-Musik.)
Dracula: (lacht.)
Harker: Dracula!
Van Helsing: Er entfernt sich. Wir müssen ihn verfolgen! Auf!
  (Schritte.)
   
  (Orgelmusik.)
Erzähler: Es gelang Van Helsing und Harker, Dracula bis zu einem großen einsamen Haus im Zentrum Londons zu folgen, in dem der Vampir verschwand. Dann begaben sie sich nach Hause, in der Absicht, am nächsten Tage mit den nötigen Werkzeugen in das Gebäude einzudringen, es zu durchsuchen und den Vampir, wenn sie ihn fänden, zu vernichten. Sie ahnten nicht, daß Dracula ihnen auf dem Heimwege gefolgt war. Erschöpft schlief Jonathan Harker im Zimmer seiner Verlobten ein. Da spürte Mina plötzlich:
   
Mina: Noch jemand ist im Zimmer! Doch ich sehe nur einen merkwürdigen Nebel, der wohl mit Jonathan hereingekommen ist. Da! Hilfe! Aus dem Nebel entsteigt eine große schwarze Gestalt. Jonathan, Jonathan, hilf mir!
Dracula: Schweig, er kann dich nicht hören. Du sollst nun büßen, daß sie es wagen, meine Pläne zu durchkreuzen. Ich werde meinen Durst an dir stillen. Komm schon! (Dracula beißt sie.) So ... Ja ... (Er trinkt.) Und nun sollst du mein eigen Fleisch und Blut werden. Schau her, ich ritze eine Ader an meiner Brust. Und nun komm du! Trinke mein Blut! Komm! Ich befehle es dir. Trink!
Mina: (seufzt, atmet aus.)
Dracula: Und nun komm mit mir. Du wirst mich in meine Heimat begleiten und mich nie wieder verlassen. (er lacht.)
   
  (Orgelmusik.)
Erzähler: Voller Entsetzen über Minas Verschwinden stürmten Harker und Van Helsing am nächsten Morgen zu dem alten Haus im Zentrum der Stadt. Doch als sie dort eingedrungen waren, fanden sie nichts Bemerkenswertes, außer einem Rest Erde in der Halle.
   
Harker: Er muß das Haus gekauft haben und hat dann vom Schiff seinen Sarg mit der Heimaterde hierher schaffen lassen, um darin tagsüber ungestört seinen Vampirschlaf verbringen zu können.
Van Helsing: Sehen Sie, hier hat der Sarg gestanden.
  (Schritte.)
Harker: Mein Gott. Und keine Spur von Mina.
Van Helsing: Doch! Vielleicht hier! Sehen Sie, Harker, dort ist ein Zettel, eine Nachricht von Dracula.
Harker: Geben Sie her.
  (Harker entfaltet den Zettel.)
  "Lieber Freund, glaubten Sie ernstlich, das Hirn eines Dracula überlisten zu können? Wenn Sie diese Zeilen lesen, habe ich Ihre unfreundliche Insel bereits verlassen. Transsylvanien ist ein schöneres Land. Leben Sie wohl, Dracula. P.S.: Ihre reizende Verlobte ließ sich nicht davon abhalten, mich zu begleiten."
Van Helsing: Das Ungeheuer hat Mina tatsächlich entführt! Ob sie noch zu retten ist?
Harker: Wir müssen es versuchen! Möge uns der Himmel mit seinem Segen beistehen!
   
  (Orgelmusik.)
Erzähler: Tage später, in einer eisigen Winternacht, hatten Harker und der Professor ihr unheimliches Ziel erreicht: sie standen in Transsylvanien vor dem Tor der Burg Dracula. Todesmutig erklommen die beiden Männer die Mauer und schlichen sich ins Schloß. Als sie in die Nähe der festlich erleuchteten Halle kamen, hörten sie Stimmen.
   

   
1. Vampirbraut: Ich kann's gar nicht abwarten, die Neue zu sehen. Sie soll sehr schön sein.
2. Vampirbraut: Ja, dem Teufel sei Dank! Noch ist sie keine Schwester von uns. Erst werden wir unseren Durst an ihr stillen - solange, bis sie stirbt.
1. Vampirbraut: Ruhig, der Gebieter kommt!
Dracula: Liebe Schwestern, ich habe euch nicht zuviel versprochen. Wir haben einen Gast bei uns, dem zu Ehren wir heute nacht ein Festmahl feiern wollen, wie lange keins. Geduldet euch, bis das Mädchen erscheint. Um Mitternacht soll das Fest beginnen.
   

   
  (Die Vampirbräute tuscheln.)
1. Vampirbraut: Habt ihr schon gehört, Schwestern?
2. Vampirbraut: Ja, Dracula hat eine Neue mitgebracht, Mina soll sie heißen.
3. Vampirbraut: Ich habe sie gesehen, sie ist schön, sehr schön!
1. Vampirbraut: Dem Teufel sei dank, endlich eine Schwester.
2. Vampirbraut: Noch nicht! Erst wenn wir ihr Blut gekostet haben, wird sie eine von uns.
3. Vampirbraut: Oh, wir werden sie aussaugen, bis sie so bleich ist wie wir, bis sie selbst nach süßem, rotem Blut von Lebenden dürstet.
2. Vampirbraut: (lacht) Diesmal wird Dracula unsere Mahlzeit nicht verderben. Wo ist die neue Braut?
1. Vampirbraut: Still! Dracula kommt!
3. Vampirbraut: Oh, unser Gebieter!
Dracula: Liebe Schwestern, ich habe euch nicht zu viel versprochen. Wir haben einen Gast bei uns, dem zu Ehren wir heute nacht ein Festmahl feiern wollen, wie lange keins.
1. Vampirbraut: (sie lächelt.) Führe uns zu ihr, Gebieter.
2. Vampirbraut: Ja, wir werden die Braut für unser Fest schmücken.
3. Vampirbraut: Wo ist sie?
Dracula: Geduldet euch, bis das Mädchen erscheint. Um Mitternacht soll das Fest beginnen.
  (Die Vampirbräute kichern und gehen.)
   

   
Harker: Dem Himmel sei Dank, Professor. Sie lebt noch. Doch wo finden wir sie?
Van Helsing: Still, Harker. ich höre ganz entfernte Töne.
Mina: (singt.)
Harker: Das ist Mina. Kommen Sie, Professor, jede Sekunde ist kostbar.
  (Schritte.)
Van Helsing: Halt! Dieser Raum muß es sein. Sie ist nicht allein. Halten Sie das Kreuz bereit. Vorwärts!
  (Sie öffnen die Tür.)
Harker: Mina!
Mina: Jonathan!
3. Vampirbraut: Oh, noch zwei Lebende! Ha, welche Überraschung! Kommt näher, laßt euch umarmen!
Mina: Vorsicht, Jonathan!
Van Helsing: Halten Sie ihr doch das Kreuz entgegen, Harker! Kommen Sie, Mina!
  (Schritte.)
  Rasch!
Harker: Da, Vampir! Siehst du das Zeichen?
3. Vampirbraut: Beim Satan! (stöhnt.) (schreit auf.)
Van Helsing: Kommen Sie, Mina!
  (Schnelle Schritte.)
  Rasch, Harker, fort von hier, ehe die anderen auf dem Schloß uns bemerken.
  (Schnelle Schritte.)
Harker: Kannst du noch, Mina?
Mina: Danke. Ja, Jonathan. Doch sieh! Dort, die Tür!
  (Eine Tür fällt ins Schloß.)
Harker: (atmet aus.) Zugeschlagen!
Van Helsing: Wieder zurück, Freunde!
  (Schritte. Eine weitere Tür fällt ins Schloß.)
Harker: Schluß, aus. Auch die Tür hat man uns vor der Nase zugeschlagen. Wir sitzen fest.
  (Schritte nähern sich.)
Mina: Sicher ist das Dracula. Da, jetzt wird das kleine Fenster in der Tür geöffnet.
  (Entsprechendes Geräusch.)
Dracula: Ich begrüße die Herren in meinem Schloß. Ihr Besuch kommt zwar nicht ganz erwartet, doch freue ich mich, Sie so bald wiederzusehen. Oh, Sie sind in Damengesellschaft, wie unterhaltsam. Nun ja, vorzustellen brauche ich die Herrschaften einander wohl nicht. Übrigens bin ich untröstlich, nicht näherkommen zu können. Sie führen da solch ... widerwärtige Gegenstände mit sich, die Sie mir anstelle Ihrer Hände zur Begrüßung entgegen strecken könnten, und das würde mich bedauerlicherweise ein wenig behindern, Sie gebührend zu begrüßen. Aber ich kann es mir natürlich nicht nehmen lassen, dies später zu tun, wenn Sie soweit sind. (lacht.) Sie verstehen? Gastgeberpflichten!
Van Helsing: Wir haben Sie verstanden. Und wir können warten, Dracula.
Dracula: Oh, wirklich? Sollte das ungemein sachkundige Professorenhirn daran gedacht haben, daß die Türen tagsüber von den Schloßbewohnern nicht bewacht werden können? Und daß manche verschlossene Tür schon mit Gewalt gesprengt wurde? Aber, verehrter Professor! Da würd' ich mich schlecht um die Sicherheit der mir anvertrauten Seelen kümmern. (lacht.) Nein, nein, tagsüber werden natürlich meine lieben Vierbeiner vor den Türen Wache beziehen.
Harker: Er meint die Wölfe.
Dracula: Ganz recht.
Mina: Schrecklich.
Dracula: Ganz recht! Und nun schlafen Sie wohl! Haben Sie nur ein wenig Geduld. Schneller als Sie denken, werden wir die notwendigen - wie sagt man doch bei Ihnen, Professor - Bluttransfusionen an Ihnen vornehmen. (lacht.) Und nun schlafen Sie wohl.
  (Das kleine Fenster wird wieder vorgeschoben.)
  Hört, Schwestern! Ihr haltet vor jeder Tür Wache, verstanden?
1. Vampirbraut: Natürlich.
2. Vampirbraut: Wir gehorchen, Gebieter!
   
Erzähler: Die Lage schien verzweifelt, wenn nicht aussichtslos. Da kam dem Professor eine Idee, und wenig später, nachdem er seine List, so leise er nur konnte, Mina und Harker mitgeteilt hatte, konnte die Vampirbraut, die die zum Hofe führende Tür bewachte, einen erregten Wortwechsel mitanhören.
   
Mina: Hättest du daheim nur besser auf mich acht gegeben!
3. Vampirbraut: Was geht da vor? Sie streiten?
Mina: Nie hätte mich Dracula dann entführt! Nie wären wir dann jetzt in solch schrecklicher Lage. Aber du hattest ja Wichtigeres zu tun!
Harker: Mina, mäßige Dich!
Van Helsing: So, jetzt das Messer, Mina! Hier, an seinen Arm!
Mina: Ja! So ...
3. Vampirbraut: Wenn ich durch diese Türritze nur besser sehen könnte!
Harker: Mina!
Mina: Ach was! Ich hasse dich! Du bist an allem schuld! Oh, ich bringe dich um!
Harker: Mina!
Mina: Ah! So ...
  (Schritte.)
3. Vampirbraut: (erschrickt) Da! Da blitzte ein Messer, sie wird doch nicht ...
Harker: (schreit.)
  (Ein Körper fällt zu Boden.)
Mina: So!
Van Helsing: Mina! Zurück! Verlieren Sie nicht den Verstand!
3. Vampirbraut: Bei Satan, Blut! Süß und rot! Blut! (atmet ein und aus.)
Van Helsing: Hoffentlich ist es noch nicht zu spät! Da, sehen Sie sich an, welche Wunde Sie ihm beigebracht haben. Wenn es nur gelingt, sie noch rechtzeitig zu schließen! Kommen Sie, helfen Sie mir!
   
Erzähler: Es war soweit. Der Vampir sah ein paar Tropfen einer Flüssigkeit unter der Türe hindurchsickern, die ihn rasend machen mußte: Blut! Voll unbändiger Gier leckte die blutdürstige Nichttote die spärlichen Tropfen vom staubigen Steinboden auf. Dann hörte sie durch die Tür wie der Professor aufstöhnte:
   
Van Helsing: Es ist zu spät, Mina. Was haben Sie nur getan! Er verblutet in meinen Armen!
3. Vampirbraut: Nein! Nein, das darf nicht sein, ich ... ich muß ...
  (Sie beginnt, die Tür zu öffnen.)
   
Erzähler: Da war es um die Beherrschung des Vampirs geschehen. Wie besessen öffnete die Schönste von Draculas Bräuten die Tür, um an dem vermeintlichen Blutbad ihren Durst zu stillen.
   
  (Die Tür wird geöffnet. Schritte.)
3. Vampirbraut: (atmet ein und aus.)
Van Helsing: Fort, Freunde! Und zeigt ihr das Kreuz!
  (Schnelle Schritte.)
Harker: Da!
3. Vampirbraut: (schreit.)
Van Helsing: Fort, Freunde!
Harker: Lauft! Lauft um euer Leben, Freunde!
   
Erzähler: Während sie auf den Hof gelangten, mit äußerster Hast die Mauer überstiegen und in ihre zurückgelassene Kutsche sprangen, hörten sie voll Entsetzen Dracula näher kommen.
   
  (Heulender Wind. Eine fahrende Kutsche.)
Dracula: Ihr entgeht mir nicht! Dracula werdet ihr nicht überlisten! Und faß ich euch nicht auf dem Erdboden, so in der Luft!
Mina: Professor! Eine riesige Fledermaus verfolgt uns! Sie ist über uns!
Harker: Es ist Dracula.
Van Helsing: Hüah! Ho!
  (Hufgetrappel.)
  Schneller, ihr Pferde! Schneller!
  (Rasende Kutsche.)
Mina: Professor! Eine riesige Fledermaus verfolgt uns! Sie ist über uns!
Harker: Es ist Dracula.
Van Helsing: Harker, das Kreuz!
Harker: Hier, Dracula! Siehst du das Zeichen dessen, der mächtiger ist als die Mächte der Finsternis?
Dracula: Wartet! Ihr ... (schreit.)
   
Erzähler: Unter dem Schutze des Kreuzes gelang es den dreien, lebend den Borgo-Paß hinab nach Bistritz zu kommen, wo sie sich in Sicherheit brachten. Dann, als der Tag anbrach, reisten sie ohne Aufenthalt in ihre Heimat.
  (Orgelmusik.)
  Graf Dracula aber, der auf diese Opfer hatte verzichten müssen, war zähneknirschend auf seine Burg zurückgekehrt und legte sich beim Morgengrauen in seinen Sarg in der Gruft. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang aber verläßt der Blutsauger immer wieder seine Ruhestätte, um ohne Unterlaß nach neuen Opfern zu suchen, denen er seine spitzen Fangzähne in den Hals schlagen kann. Wann begibt er sich wieder fort aus Transsylvanien? Niemand weiß es. Er, der vor Jahrhunderten geboren wurde und ein Nichttoter ist, kann sich Zeit lassen. Seien wir auf der Hut ...

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© Transkription & Versionenvergleich: Marcus Ebeling • Umsetzung in HTML: Sven Haarmann (12. April 1999)

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