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(Orgelmusik.) |
Erzähler: |
Im Nordteil Rumäniens liegt, von den schroffen Felsen des hufeisenförmigen Karpatengebirges eingeschlossen, das Land Siebenbürgen. Früher hieß es Transsylvanien, und man sagte seinen Einwohnern nach, sie seien stark abergläubisch. Vor vielen Jahrzehnten nun stieg der junge englische Anwaltsschreiber Jonathan Harker in der alten Stadt Bistritz, die im nördlichen Teil Transsylvaniens am Fuße des Gebirges liegt, im Hotel "Goldene Krone" ab. Er war im Auftrage seines Herrn, des Londoner Rechtsanwaltes Mr. Hawkins, unterwegs, um den Grafen Dracula aufzusuchen, dessen entlegenes Schloß sich einige Stunden von Bistritz entfernt in den Bergen befinden sollte. Harker hatte es sich gerade auf seinem Zimmer bequem gemacht, als die alte Wirtsfrau unvermutet und ungestüm die Kammer betrat und ihm mit starrem, angsterfüllten Blick einen Brief aushändigte. |
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(Tür wird geöffnet, Schritte.) |
Wirtin: |
Junger Herr! Junger Herr, eine Nachricht für Sie ...vom ... vom ... |
Harker: |
Vom Grafen Dracula, nehme ich an. - Sie bekreuzigt sich. Was soll das? |
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(Harker öffnet den Brief.) |
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Aha ... hm ... "Lieber Freund, willkommen in Transsylvanien. Ich bin ungeduldig, Sie kennenzulernen. Morgens um drei Uhr geht die Postkutsche ab, die über den Borgo-Paß in die Bukowina fährt. Auf der Paßhöhe wird mein Wagen Sie erwarten. Ihr Freund Dracula." Hm. |
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(Harker faltet den Brief zusammen.) |
Wirtin: |
Junger Herr! |
Harker: |
Hm. |
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(Harker faltet den Brief zusammen.) |
Wirtin: |
Wissen Sie denn nicht, was morgen für ein Tag ist? |
Harker: |
Doch, der 4. Mai! Warum? |
Wirtin: |
Es ist die St.Georgsnacht! Alle bösen Geister treiben da, was sie wollen. |
Harker: |
(lacht) Ach was! Abergläubisches Geschwätz! An solchen Unfug glaube ich nicht! |
Wirtin: |
Junger Herr! Wissen Sie, wohin Sie gehen? Und zu wem Sie gehen? Bleiben Sie hier! Noch können Sie zurück! (schluchzt) Ich flehe Sie an! |
Harker: |
Aber gute Frau, das ist unmöglich. Ich habe einen geschäftlichen Auftrag, der mich zum Grafen Dracula führt. |
Wirtin: |
So nehmen Sie wenigstens um Ihrer Mutter willen dies Kreuz von mir. |
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(Klirren einer Halskette.) |
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Der Himmel beschütze Sie! |
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Erzähler: |
Damit legte sie dem verwirrten Harker ihren Rosenkranz, an dem ein kleines Kruzifix hing, um den Hals und verließ unter Tränen das Zimmer. Der junge Mann war auf einmal nicht mehr so zuversichtlich wie gewohnt. |
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(Orgelmusik.) |
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Die Fahrt in der Postkutsche konnte Jonathan Harkers niedergedrückte Stimmung kaum bessern. |
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(Pferdewiehern. Räderrollen.) |
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Zuerst fanden zahlreiche Knoblauchbündel an sämtlichen Fenstern und Türen seine furchtsame Verwunderung. Hatte er doch gehört, daß Knoblauch manchmal als Abschreckungsmittel für Geister verwendet wurde. Auch führten seine Mitreisenden erregte Reden, wobei sie ihm angstvoll besorgte Blicke zuwarfen oder aus dem Wagenfenster in das Dunkel der Nacht deuteten. Einige Ausdrücke, die immer wiederkehrten, hörte er heraus. |
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(Stimmengewirr.) |
Harker: |
Ordog, Pokol, Stregoica, Vrolock ...was mögen diese Begriffe nur bedeuten? Ich muß das Wörterbuch befragen. So ... |
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(Harker blättert im Wörterbuch.) |
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"Satan", hm ... und hier ... "Hölle" ... "Stregoica: Hexe" ... "Werwolf", und hier: "Vampir: Blutdürstige Wesen in Wolfs- und Fledermaus-Gestalt." Mein Gott, schrecklich! Das macht mir nicht gerade Mut zur Fahrt auf Draculas Schloß. Auch fegt der Wind seit einiger Zeit seltsam geformte Nebelfetzen neben dem Wagen her. In der Tat ... gespenstisch! Da! Jetzt hält die Kutsche. |
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(Der Verschlag wird geöffnet. Schneidender Wind.) |
Postillon: |
Mein Herr! Wir haben die Höhe des Passes erreicht. Wenn Sie unbedingt wollen, mögen Sie hier aussteigen. |
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(Schneidender Wind.) |
Dracula: |
Natürlich will er hier aussteigen, Dummkopf! Der Mann ist mit meinem Herrn verabredet. Guten Abend, Herr Harker! Kommen Sie mit, dort wartet unsere Kutsche. |
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Erzähler: |
Aus dem Dunkel hatte sich eine hohe Gestalt mit einem großen schwarzen Hut auf dem Kopf gelöst, die ihre Gesichtszüge beim Näherkommen verborgen hielt. Im Lampenlicht glaubte Harker allerdings, die Augen rot funkeln zu sehen. |
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(Synthesizer-Musik.) |
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Schreiend wandten sich die Insassen des Wagens ab und bekreuzigten sich. Nur die Erinnerung an seinen Auftrag und seine Pflicht konnten Jonathan Harker dazu bewegen, die Fahrt mit dem schwarzen Mann anzutreten, die sofort in wildem Tempo begann, kaum daß er im Wagen Platz genommen hatte. |
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(Räderrollen. Hufgetrappel.) |
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Später, der Mond ergoß sein volles Licht auf die unheimlich einsame Landschaft, nahm Harker ein immer stärker werdendes, fürchterliches Geräusch von draußen wahr. |
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(Wolfsgeheul.) |
Harker: |
Höre ich recht? |
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(Wolfsgeheul.) |
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Wölfe! Wir nähern uns ihnen. Da sind sie schon, ein ganzes Rudel! Gott sei uns gnädig. Die armen Pferde scheuen wie wild! |
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(Pferdewiehern.) |
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Und da: eine unheimliche blaue Flamme am Weg! (klopft) Kutscher! Was sollen wir tun? He, Kutscher! (klopft) |
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(Synthesizer-Musik.) |
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Er scheint mich nicht zu hören. |
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(2. Synthesizer-Musik.) |
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Jetzt springt er ab, der Wahnsinnige! |
Dracula: |
Zurück! Stregoica! Vrolock! Zurück! |
Harker: |
Was tut er? Träume ich? Er ruft den Bestien etwas zu. Wie Befehle klingen seine Worte. Er schwingt seine unheimlichen lange Arme, als wollte er sie vertreiben und ... Nein, nicht möglich: die Wölfe weichen zurück! Ja, weichen langsam zurück, einer nach dem anderen. Sie sind fort! Fort! Hm. Aber da: die blaue Flamme! Sie nähert sich drohend im Mondlicht! Was wird er tun, der Unheimliche?! Wie? Er legt Steine vom Weg zu einer Art Figur zusammen. Die Flamme weicht zurück, ja, sie entfernt sich. Doch merkwürdig: der Kutscher! Steht er denn nicht zwischen mir und der Flamme?! Müßte mir seine Gestalt mir nicht die Sicht auf die Flamme verdecken? Sie tut es nicht! Ich sehe durch ihn hindurch! Es muß eine Täuschung sein, es kann nur eine Täuschung sein. |
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Erzähler: |
Ehe Harker noch weiter rätseln konnte, war der Kutscher wieder aufgesprungen und weiter ging die rasende Fahrt in Sturm und Schnee dem Schlosse Draculas zu. Viele ähnliche beunruhigende Erscheinungen unterbrachen noch die Fahrt durch die immer steiler werdenden Berge, bis auf einmal nach einer harten Wegbiegung, geisterhaft vom fahlen Mondlicht beschienen, das Ziel vor ihnen lag: Burg Dracula. |
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(Orgelmusik.) |
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Im Hofe des ruinenhaften Gebäudes wurde der Besucher samt seinem Gepäck vom Kutscher abgesetzt, der mit dem Wagen in einem düsteren Torbogen verschwand. Wenig später hörte Harker vom Haus her ein Geräusch. |
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(Schloßtür wird geöffnet. Schritte.) |
Dracula: |
Willkommen auf meinem Schloß. Ich bin Dracula ... und begrüße Sie, Herr Harker. |
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Erzähler: |
Der Angesprochene trat näher und gab dem Grafen die Hand. Der ergriff und drückte sie dermaßen, daß Harker zusammenzuckte. Beklommen dachte er: |
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Harker: |
Welch ungeheuerliche Kraft in seinem Griff ist. Dabei fühlt seine Hand sich eiskalt an, wie die eines Toten. Auch glaube ich fast, Fast glaube ich, dieselbe Person wie den Kutscher vor mir zu haben. |
Dracula: |
Kommen Sie, Herr Harker! Sie sollen Ihr Zimmer sehen. |
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(Schritte.) |
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Erzähler: |
Nach langen Wegen über endlose Korridore und steile Wendeltreppen gelangten sie in einen hell erleuchteten Raum. Harker dachte ein wenig erleichtert: |
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Harker: |
Ach, wenigstens hier nicht die drückende Atmosphäre. Im Kamin flackert ein kräftiges Feuer, der Tisch ist gedeckt. |
Dracula: |
Wollen Sie erst ein wenig ruhen, mein Freund? |
Harker: |
Danke, Graf, es ist nicht nötig. |
Dracula: |
Dann stärken Sie sich nach der anstrengenden Fahrt. |
Harker: |
Gerne. Vorher aber muß ich Ihnen noch diesen Brief von Mr. Hawkins übergeben. |
Dracula: |
Danke. |
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(Dracula entfaltet den Brief.) |
Harker: |
Leider hinderte ihn seine Gicht daran, selbst die lange Reise von London hierher zu machen, um mit Ihnen das Geschäft zu besprechen. |
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Erzähler: |
Während Dracula das Schreiben las, verzehrte Harker das schmackhafte Abendbrot, wobei er Gelegenheit hatte, sein Gegenüber genau zu beobachten. Er dachte: |
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Harker: |
Ein solches Gesicht habe ich noch nie gesehen. Scharf gebogene Nase, ungewöhnlich hohe gewölbte Stirn, ein harter, grausamer Mund, spitze Ohren, fast geier- oder habichtartig, hm, und dann die langen scharfen ... Hundezähne, die über die Lippen hervorragen. Ungewöhnlich ... und sonderbar! |
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Erzähler: |
Harker dachte ein wenig erleichtert: |
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(Geschirrklappern. Feuer prasselt im Kamin.) |
Harker: |
Ach, wenigstens hier nicht die drückende Atmosphäre. Im Kamin flackert ein kräftiges Feuer, der Tisch ist gedeckt. |
Dracula: |
Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt, Herr Harker. |
Harker: |
Danke, Graf. |
Dracula: |
Kommen wir nun zum Geschäftlichen. Wollen Sie mir ein wenig über die Möglichkeiten berichten, ein Haus in London zu kaufen? Ich werde Sie auch gleich über meine speziellen Wünsche diesbezüglich unterrichten. Ich nehme doch an, Sie werden hoffentlich eine zeitlang hierbleiben, damit ich durch das Gespräch und die Unterhaltung mit Ihnen mein Englisch vervollständige. Verständlicherweise möchte ich nicht fortwährend für einen Fremden gehalten werden, wenn ich nach London übersiedle. |
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Erzähler: |
Das Gespräch dauerte, bis der Tag graute. Kaum hatte der Graf den Hahnenschrei gehört, sprang er auf. |
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Dracula: |
Schon Morgen? Wie konnte ich Sie nur so lange aufhalten? Ich wünsche Ihnen gute Ruhe und einen erfreulichen Tag. Leider halten mich dringende Geschäfte davon ab, Ihnen den Tag über Gesellschaft zu leisten. |
Harker: |
Danke, Graf. Ich werde mich schon beschäftigen. |
Dracula: |
Hm. Falls Sie die Absicht haben sollten, Ihr Zimmer zu verlassen, seien Sie vorsichtig. Versuchen Sie keinesfalls, in verschlossene Räume einzudringen, und lassen Sie sich warnen, in einem anderen Teil des Schlosses zu schlafen. Sie könnten ... einen bösen Traum haben. Und Sie wissen ja, nach allem, was Sie bereits erlebt haben, daß sich in Transsylvanien seltsame Dinge ereignen. (lacht kurz in sich hinein) |
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(Schritte. Tür wird geschlossen.) |
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(Orgelmusik.) |
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Erzähler: |
Am Tage, beim Durchstreifen des Schlosses, stellte Harker zu seinem Schrecken fest: |
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(Rütteln an Türen. Schritte.) |
Harker: |
Nichts als verschlossene und verriegelte Türen. Ich bin gefangen. Nirgends ein Ausweg als durch die Fenster. Und das Schloß steht am Rande eines schrecklichen Abgrundes. Und dann diese Totenstille, unheimlich. Kein Lebewesen ist zu entdecken, ich scheine hier völlig allein mit Dracula zu sein. Ich habe Angst. |
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(Orgelmusik.) |
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(Synthesizer-Musik.) |
Erzähler: |
Am Abend war Dracula einige Stunden bei Harker und führte mit ihm eine ausgedehnte Unterhaltung, vor allem über Schiffstransport, über Hauskauf und finanzielle Fragen. Wenn Dracula hierbei auch den Eindruck großer Kenntnisse auf Grund von Belesenheit erweckte: Jonathan Harker wurde das merkwürdige Gefühl nicht los, als spräche da jemand, der schon in vergangenen Jahrhunderten gelebt haben mußte. Das Gefühl verstärkte sich, als Dracula von der Herkunft und ruhmreichen Vergangenheit seines Geschlechtes zu erzählen anfing und dabei ständig das Wort "wir", einmal sogar das Wort "ich" gebrauchte. Dann verabschiedete sich der Graf unvermittelt, es war kurz vor Mitternacht, und ließ Harker allein. Bevor dieser Harker schlafen ging, befestigte er noch den Rosenkranz mit dem Kreuz, den ihn die Wirtin in Bistritz aufgedrängt hatte, und dessen Besitz ihm nun doch eine eigenartige Beruhigung war, über seinem Bett. Danach öffnete er ein Fenster, um noch etwas Luft einzulassen und starrte voll dumpfer Gefühle hinaus in die Mondnacht. Da, nach einer Weile, sah er schräg unter sich, dort, wo sich die Räume des Grafen befinden mußten, etwas Unheimliches. |
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(Heulender Wind. Ein Käuzchenruf.) |
Harker: |
Da! Da schiebt sich eine Gestalt aus dem Fenster ... Dracula! Ja, er ist es. Aber was ist das? Sein schwarzer Mantel erscheint mir plötzlich wie ... ja, wie ein Paar großer Flügel! Er beugt sich weit vor, der Unvorsichtige. Zu weit vor! Und stürzt hinab! N-nein, nein, er fliegt! Wie eine Fledermaus flattert er davon. Gräßlich! Ungeheuerlich! Welche Kreatur verbirgt sich in diesem Wesen? Und ich bin in seiner Gewalt! Oh mein Gott, könnte ich doch nur fliehen! Wüßte ich doch, wo hinaus! Ich muß mich noch einmal im Schloß umsehen, jetzt, wo Dracula fort ist. Vielleicht läßt mich der Himmel doch noch einen Fluchtweg finden. |
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(Schritte. Harker nimmt die Lampe.) |
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Erzähler: |
Er nahm seine Lampe und machte sich auf, um noch einmal die vielen Türen und Schlösser zu untersuchen, die ihn an der Flucht hinderten. In einem entlegenen Teil des Gebäudes, einige Stockwerke tiefer, stieß er auf eine große verriegelte Tür, die das Ende eines Ganges bildete. |
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Harker: |
Dort hinter der Tür müßte es zum Hof gehen. Hoffentlich gelingt es mir, die Tür aufzubrechen. |
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(Gepolter.) |
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So, ja ... Was? Kein Gang? Statt dessen ein angenehm eingerichteter Raum. |
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(Schritte.) |
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Staub über allem, der Staub der Jahrhunderte. Ich werde mich einen Augenblick setzen. So ... Aber was ist nur mit mir? Bleierne Schläfrigkeit überfällt mich ... ich bin müde ... zum Sterben müde ... |
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Erzähler: |
Harker war eingeschlafen. Aber er war nicht mehr allein im Raum. Da standen drei junge Frauen im Mondlicht, das durch sie hindurchschien. Mit feurigen, gierigen Blicken starrten sie auf den Ruhenden und leckten sich wollüstig die roten Lippen, zwischen denen, wenn sie lächelten, jeweils zwei spitze, lange, weiße Fangzähne hervorglänzten. |
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(Die Vampirbräute kichern.) |
1. Vampirbraut: |
Kommt, Schwester, ich rieche frisches warmes Blut. |
2. Vampirbraut: |
Ja, hört ihr, wie er atmet? Wo mag er sein? |
3. Vampirbraut: |
Hierher! Er ist im Purpursalon. Er schläft. |
alle drei: |
Schnell! |
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(Die Vampirbräute kichern.) |
2. Vampirbraut: |
Was ist? Lebt er? |
3. Vampirbraut: |
Pst! Ja, er lebt. Weckt ihn nicht. |
1. Vampirbraut: |
Oh, wie jung er ist. Und seht nur seine herrlich starken Adern! |
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(Die Vampirbräute kichern.) |
2. Vampirbraut: |
Das wird ein Festmahl! |
1. Vampirbraut: |
Und bevor er aufwacht, ist er einer von uns. |
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(Die Vampirbräute kichern.) |
3. Vampirbraut: |
Aber Dracula! Der Alte hat uns doch verboten, ihn anzurühren. |
2. Vampirbraut: |
Ach, Dracula ist weit. Kommt, wir wollen ja nur ein bißchen naschen. Ich komme um vor Durst. |
1. Vampirbraut: |
Halt, Schwester! Nicht die Halsschlagader! Das merkt der Graf. Wir küssen ihm nur das Handgelenk, ganz vorsichtig. |
2. Vampirbraut: |
Meinetwegen, ich nehm' das linke. |
1. Vampirbraut: |
Und ich das rechte! |
3. Vampirbraut: |
Und ich? |
1. Vampirbraut: |
Nimm du seine Kniekehle, schnell, ehe er aufwacht! |
3. Vampirbraut: |
Vorsicht, nicht so heftig! |
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(Die Vampirbräute murmeln freudig.) |
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Erzähler: |
In diesem Augenblick ertönte plötzlich die zornbebende Stimme des Grafen, als er das Mädchen zurückriß. |
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1. Vampirbraut: |
Nein! |
Dracula: |
Hab' ich es euch nicht verboten, ihn anzurühren? Wie kann eine von euch es wagen, ihr Auge auf ihn zu werfen? |
2. Vampirbraut: |
Wir haben Durst, mein Gebieter, Durst! |
3. Vampirbraut: |
Ja. |
1. Vampirbraut: |
Und dieser junge Mann ist ein Geschenk der Hölle! |
3. Vampirbraut: |
Oh, laß ihn uns, Gebieter! |
Dracula: |
Zurück! Dieser Mann ist mein. Habt ihr euren Gebieter verstanden? |
3. Vampirbraut: |
Ach, wie grausam du bist! |
1. Vampirbraut: |
Wie niedere Mägde behandelst du uns! |
3. Vampirbraut: |
Ja. |
2. Vampirbraut: |
Dabei hast du uns einst geliebt, Dracula. Erst zweihundert Jahre ist es her, daß du mich zu deiner Braut gemacht hast. |
3. Vampirbraut: |
Aber du willst nichts als Macht über die Lebenden, weil du selbst nicht sterben kannst. Graf Dracula, du hast nie geliebt, und du kannst nicht lieben! |
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(Synthesizer-Musik.) |
Dracula: |
Wohl kann ich lieben! Wißt ihr's selbst nicht am besten, aus vergangenen Tagen? Aber gut, morgen nacht sollt auch ihr ihn küssen können, wenn ich meinen Durst an ihm gestillt habe. |
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(Synthesizer-Musik.) |
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Erzähler: |
Jonathan Harker hatte die grauenhafte Szene in einer Art von ohnmächtigem Dämmerschlaf miterlebt und nicht vergessen. Als er am nächsten Morgen in seinem Zimmer erwachte, sann er verzweifelt über seine Lage nach. |
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Harker: |
Willst du dem Schicksal entgehen, in der nächsten Nacht von den dämonischen Blutsaugern geküßt und dadurch womöglich selbst zum Vampir zu werden, so mußt du dich heute noch zu retten versuchen, oder bist auf immer verloren, Jonathan Harker! (Er atmet aus.) Wo mögen nur die Schlüssel des Schlosses aufbewahrt sein? Sicher in Draculas Gemächern, ja, nur dort können sie sein. Tagsüber brauche ich den Vampir nicht zu fürchten. Er erscheint wohl nur zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Doch wie gelange ich in seine Räume, wo mir alle Türen verschlossen sind? Es gibt nur einen Weg: ich muß versuchen, an der Außenwand des Schlosses entlang zu klettern, und wenn ich mir dabei den Hals breche. Auf, ans Werk! |
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Erzähler: |
Bevor er das Fenster öffnete, legte Harker sich noch das Kreuz um, das er bei seiner letzten Erkundung des Schlosses versehentlich nicht mitgenommen hatte. Nie hätte er früher gedacht, daß ein Symbol eine solche Hilfe bedeuten könne. Danach kletterte er vorsichtig aus dem Fenster und tastete sich, jede Unebenheit des Mauerwerks ausnutzend, an der Außenwand des Schlosses entlang. |
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(Heulender Wind. Ein Käuzchenruf. Harker kriecht an der Mauer entlang.) |
Harker: |
(stöhnt) Da ist ein Vorsprung. So ... nur nicht nach unten sehen in die gräßliche Tiefe, sonst ist's aus! Weiter ... so ... hier, und ... |
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(Harker rutscht aus.) |
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Ah! Ah ja ... das ging noch mal gut. So, weiter hinunter. So ... hier: das muß das Fenster zu Draculas Gemächern sein. Gott sei Dank, es steht offen. So, hinein. |
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(Harker springt. Schritte.) |
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Niemand da. Wo mag sich das Ungeheuer tagsüber aufhalten? Vor allem aber: Wo sind die Schlüssel? Hier, in diesem verstaubten Raum, ist nichts dergleichen zu entdecken. Da! Dort ist eine Tür zu einem Gang! |
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(Schritte. Harker öffnet die Tür.) |
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Eine Treppe, die hinunter führt. |
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(Schritte.) |
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Wo ... wo bin ich? Eine Gruft? Dort steht ein länglicher Kasten, ja - ja, ein Sarg. Er steht auf einem Haufen frischer Erde, sonderbar. Sollte der Graf ... ? Ich muß den Sarg öffnen, koste es, was es wolle! So! |
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(Harker öffnet den Sarg.) |
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(erschrickt, atmet aus) Dracula! Ist er tot, oder schläft er? Entsetzlich! Der haßerfüllte, höhnische Blick aus den offenen Augen! Und da, auf den Lippen: Tropfen frischen Bluts! Viel jünger sieht er aus, röter der Mund, voller die Wangen. Er muß sich mit Blut geradezu vollgesogen haben. Grauenvoll. Nein! (atmet aus) Nimm dich zusammen, Harker. Du mußt den gräßlichen Körper dort nach den Schlüsseln durchsuchen. Du mußt! |
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(Harker durchsucht die Kleidung.) |
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(erschrickt) Hat er sich bewegt? ... Nein, nein, er ist wie tot. Weiter. |
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(Wieder ein Rascheln.) |
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Mein Gott, wo mögen die Schlüssel nur stecken? Hier ... |
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(Schlüssel klirren.) |
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Hier! Das muß es sein! Herr im Himmel, hab' Dank! Und nun nichts wie fort, fort von diesem Ort des Grauens! |
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(Harker läuft davon.) |
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(Synthesizer-Musik.) |