Rückkehr der Klassiker

Gullivers Reisen


Machen wir uns nichts vor: Wenn's um den Osten geht, sprechen einige Westler noch immer abschätzig von "Dunkeldeutschland" und wettern über den Soli-Zuschlag für "die da drüben". Sie ahnen nicht, dass die Steuer für den schleppenden Aufbau auch dortzulande auf den Lohnzetteln steht. Schon längst haben westdeutsche Großkonzerne Ost-Betriebe geschluckt und so aus dem Konkurrenz-Verkehr gezogen. Wirtschaftliche Erfolgsstories aus Neufünfland à la "Rotkäppchen"-Sekt sind so rar wie Schnee auf Mallorca. Umso erstaunlicher, dass unter der Flagge eines Ost-Labels eine West-Produktion quasi annektiert wurde: "Gullivers Reisen", von "Europa" 1974 produziert, taucht nun bei "Litera Junior" wieder auf. Das Label brachte zu DDR-Zeiten hochwertige Hörspiele heraus - neben Märchen auch so spannende Umsetzungen aus der Literatur von J. F. Cooper, Robert Louis Stevenson, Jules Verne oder auch Kurt Tucholsky. Einige der Klassiker werden ebenso wie bei "Europa" neu aufgelegt.

Und nun also gibt's bei "Litera" auch noch Zuwachs von draußen: Unverändert sind die 42 Minuten, bei denen Heikedine Körting Regie führte, als die Mauer noch für klare Verhältnisse sorgte. Die gute Frau hat jedoch schon Besseres produziert. Die Story um den Reisenden zwischen Lilliputanern und Riesen wirkt blutleer und lieblos heruntergerattert. Scheint so, als seien damals die Geräusch-Tonträger verschollen gewesen - die Szenen werden von einer sehr dürftigen Klangkulisse umgeben. Durch die fehlende Untermalung bleibt ein Graben zwischen Sprechern und Hörern. Langeweile pur. Ausgerechnet die sonore Stimme Wolfgangs Kielings wird auf Donald-Duck-Tempo beschleunigt, um für den König der Zwerge herzuhalten. Und das Organ von Peter Kirchberger in der Titelrolle dringt oft übersteuert aus den Boxen.

Das einst bunte Cover wurde von "Litera Junior" durch eine sparsam Kolorierte Federzeichnung ersetzt, die wohl die Nähe zur "großen" Literatur herstellen soll. Das ist aufgegangen, ändert aber natürlich nichts am Ausbleiben des Hörvergnügens. Schade. Soll nun niemand vermuten, die geballte West-Arroganz hätte mit "Gullivers Reisen" dem Osten nur ein ungeliebtes Stiefkind aus der Hörspiel-Welt aufs Ohr gedrückt. I wo - "Litera Junior" ist nämlich nicht mehr wirklich Osten. Sondern gehört längst zur unübersichtlichen Gruppe des Beschallungs-Giganten BMG. Ein Schelm, der Böses dabei denkt...

Mark Daniel

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