Der Schatz im Silbersee Folge 1 (MC-Version) (4065, Laufzeit 30'40")
Wir vergleichen hier Wort für Wort das im Jahre 1968 von Konrad Halver bearbeitete und inszenierte Hörspiel mit der Fassung, die auf MC-übliche Laufzeiten zurechtgestutzt wurde. Selten sind die Ausmaße der Schnitte so deutlich geworden wie bei diesem Zweiteiler. Zahllose Sequenzen fehlen und machen das Hörspiel auf MC damit deutlich kürzer, etwa 18 Minuten sind insgesamt der Schere zum Opfer gefallen. Viele Informationen bleiben so dem MC-Hörer verborgen.
Die Faustregel zum Lesen der Hörspielabschrift:
Schnitte, die den ursprünglichen Text enthielten, sind fettgedruckt. Nachträglich eingefügte Worte sind mit <> eingeklammert (kommt nur einmal vor). Die Rollen wurden, um die Lesbarkeit zu verbessern, kursiv gesetzt.
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Erzähler: Es war um die Mittagszeit eines sehr heißen Junitages, als der "Dogfish", einer der größten Personen- und Güterdampfer des Arkansas mit seinen mächtigen Schaufelrädern die Fluten des Stromes peitschte. Er hatte am frühen Morgen Middle Rock verlassen und fuhr nun stromaufwärts, in Richtung Lewisburg. Unter den an Deck befindlichen Passagieren des Schiffes zog eine Gruppe finster aussehender Gestalten die besondere Aufmerksamkeit auf sich. Es waren etwa 20 Männer, die unter Gelächter und Geschrei den Würfelbecher von Hand zu Hand gehen ließen um durch das Glücksspiel zu ermitteln, wer von ihnen den nächsten Drink bezahlen sollte. Als sie alle schon recht angetrunken waren, erhob sich auf einmal ihr Anführer, ein hagerer, rothaariger Kerl, und rief den Passagieren zu:
Brinkley: Verdammt! Jetzt bin ich in der richtigen Stimmung zu einem Drink mit einem dieser Herrschaften.
Erzähler: Im Wilden Westen einen angeboteten Drink abzuschlagen, käme einer Beleidigung gleich. Die Ankündigung dieses finsteren Burschen war also nicht ganz ungefährlich. Er musterte jetzt die Umstehenden mit frechen Blicken. Seine Wahl schien auf zwei Indiander gefallen zu sein, die vor einer riesigen, schwer beschlagenen Kiste standen und aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit zweifellos Vater und Sohn waren. Langsam schlenderte Cornel Brinkley, so nannten die Leute der Bande ihren Anführer, auf die beiden zu und sprach sie an.
Brinkley: Heißes Wetter heute oder nicht ihr roten Burschen? Da tut ein Trunk wohl. Hier nimm Alter, schütt es auf die Zunge.
Großer Bär: Danke weißer Mann, ich nicht trinken Feuerwasser.
Erzähler: Der Cornel brauste auf.
Brinkley: Was, du willst nicht? So eine Frechheit, roter Hund. Da. Nimm das!
Erzähler: Brinkley hatte dem Indianer eine schallende Ohrfeige gegeben. Sofort fuhr die Hand des jüngeren Roten zum Messer, doch ein kurzer Blick des Vaters gebot ihm Einhalt. Der Cornel legte dieses Verhalten als Feigheit aus und lachte höhnisch.
Brinkley:(lacht) Dir scheinen Ohrfeigen zu gefallen, Rothaut. Hier hast Du noch eine.
Erzähler: Aber diesmal duckte sich der Indianer. Der Schlag ging fehl und Brinkleys Faust fuhr mit lautem Krachen auf den großen Holzkasten, woran die Indianer lehnten. - Da ertönte von innen ein rasselndes Knurren und Fauchen, das schnell zu einem wilden, heiseren Schrei anschwoll. - Brinkley sprang jäh zurück.
Brinkley: Verdammt, was ist das? Was für eine Bestie steckt in diesem Kasten?
Erzähler: Durch die Reihen der erschreckt zusammengelaufenen Menschen bahnte sich ein kleiner, schnauzbärtiger Mann den Weg und rief:
Venuti: Ruhe, es liegt kein Grund zur Aufregung vor. Ich bin der berühmte Tierbändiger Salvatore Venuti. Und das sonnige Kerlchen dort im Kasten ist doch nur ein allerliebstes schwarzes Pantherchen. Ihr sollt jetzt die einmalige Gelegenheit haben, einer Raubtierfütterung beizuwohnen.
Erzähler: Während der Tierbändiger damit beschäftigt war, das Fleisch für den Panther herbei zu schaffen und die Passagiere sich gespannt in der Nähe des Kastens aufstellten, hatte sich der rothaarige Bandit wieder Mut angetrunken und rief jetzt seinen Leuten zu:
Brinkley: Hört,ihr Jungs. Ich wette mit euch, dass mein zweiter Drink nicht abgewiesen wird. Dieser Goliath dort soll in haben.
Erzähler: Mit einem gefüllten Glas näherte Brinkley sich dem Erwähnten. Die Körperformen dieses Mannes waren in der Tat gewaltig, so groß und breit war er gebaut. Der Cornel stellte sich breitspurig vor sein zweites Opfer hin und sagte:
Brinkley: Sir, ich biete euch einen Drink an. Hoffentlich weigert ihr euch nicht.
Erzähler: Der Angeredete warf ihm einen erstaunten Blick zu, um dann seelenruhig seine Unterhaltung mit dem Kapitän fortzusetzen. Brinkley schäumte vor Wut.
Brinkley: Hee, seid ihr taub? Ich verstehe keinen Spaß, wenn mir ein Drink abgeschlagen wird. Sagt, hört Ihr mich nicht? Nun gut, dann soll es euch ebenso ergehen wie der Rothaut, der ich - aaaaah.
Erzähler: Er hatt eine so gewaltige Ohrfeige von dem Riesen erhalten, dass er niederstürzte und von der einen Reeling zu andern kugelte. Sich aufraffen und zu seinen Leuten zurücklaufen war für den feigen Kerl eins. Vor Zorn bebend befahl er ihnen:
Brinkley: Auf ihn, Jungs. Das soll er mir büßen, der Hund. Als erstes werde ich ihm eine Kugel in den Kopf schicken.
Erzähler: Doch der andere war schneller und schoss Brinkley mit drei meisterlich gezielten Schüssen die Pistole aus der Hand. - Jetzt wollten sich die anderen Banditen auf ihn stürzen. Aber der Riese richtete seinen Revolver auf die Kerle und rief ihnen mit gewaltiger Stimme zu:
Old Firehand: So kommt heran, wenn ihr es wagt mit Old Firehand anzubinden.
Erzähler: Der Klang dieses Namens war von augenblicklicher Wirkung auf die Banditen.
Verschiedene Tramps: Old Firehand? - Der berühmte Jäger? - Zum Teufel, wer hätte das gedacht? Das Feuer seines Gewehrs bringt jedem Feind den Tod. - Zurück Leute, sonst macht er ernst.
Erzähler: Kaum hatten sich die Kerle zurück gezogen, da schallte schon Salvatore Venutis Stimme über das Deck.
Venuti: Ladies and Gentlemen. Es ist mir für euch noch eine ganz besondere Sensation eingefallen. Noch nie hat jemand einen gezähmten Panther gesehen. Ich aber habe diesen hier in die Schule genommen und erkläre heute während der Fütterung zum ersten mal öffentlich zu ihm in den Käfig zu steigen. Einzig winzige Voraussetzung: Eine angemessen hohe Prämie. Bedenkt das Wagnis. Ich bin des Tieres noch nicht ganz sicher. Nun?
Ein Passagier: Phantastisch, was der Mann vorhat, ich gebe 10 Dollars.
Ein Passagier: Wo kriegt man sonst so etwas geboten? 15 Dollars.
Ein Passagier: Okay, auch ich gebe 15.
Ein Passagier: Und ich 20. Darf man fragen, Old Firehand, was ihr gebt?
Old Firehand: Keinen Cent. Im Gegenteil, man muss ihn daran hindern. Venuti! Wenn ihr euch des Tieres noch nicht sicher seid, erhebe ich Einspruch. Bedenkt, dass der Panther im Kasten ständig Nacht um sich hatte, und durch das plötzliche Tageslicht unruhig wird. Auch werden die vielen Zuschauer ihn gereizt machen. Venuti, was ihr vorhabt, ist Wahnsinn.
Venuti: Oh, Mr. Firehand, wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Außerdem wird das Tier genug am Kalb zu fressen haben, wenn ich bei ihm bin. Also Ladies and Gentlement, aufgepasst. Es geht los.
Erzähler: Atemlose Spannung herrschte an Deck. Venuti öffnete behutsam die Tür zum Käfig und schob seinen Körper durch den niedrigen Durchlass. Der Panther aber war durch die ungewohnte Situation tatsächlich äußerst gereitzt. Und kaum erblickte das Raubtier den Bändiger, hatte es dessen Kopf schon im Rachen und zerkrachte ihn mit einem einzigen Biss zu Splittern und Brei. -
Das Geschrei, dass sich jetzt vor dem Käfig erhob, spottete jeder Beschreibung. Ein Passagier: Entsetzlich. Die Bestie hat ihn getötet.
Ein Passagier: Lasst das Gejammer, rettet lieber euer eigenes Leben. Die Käfigtür steht offen.
Ein Passagier: Schnell fort aufs Oberdeck.
Ein Passagier: Da, der Panther verlässt den Käfig.
Ein Passagier: Hiiilfe.
Ein Passagier: Rettet euch, der Panther kommt.
Erzähler: In wildem Entsetzen versuchte ein jeder, sich zu retten. Da ertönte aus der Nähe des Käfigs ein Schrei. - Ein junges Mädchen stand dort und war vom Rettungsweg zur Treppe abgeschnitten worden. Lauernd näherte sich ihr das knurrende Raubtier. Gerade wollte Old Firehand sein Leben aufs Spiel setzen und den Panther ablenken, da rief plötzlich der jüngere der beiden Indianer aus entgegengesetzter Richtung:
Kleiner Bär: Ich werde schwimmen!
Erzähler: Mit zwei Sätzen sprang er auf das Mädchen zu und ergriff es am Gürtel. Er schwang sich mit ihm auf die Reeling und kaum hatte der wütende Panther den Boden zum Sprung verlassen, waren die beiden schon seitwärts vom Schiff hinabgeflogen und in den brausenden Fluten des Arkansas untergetaucht. Geistesgegewärtig befahl der Kapitän dem Maschinisten:
Kapitän: Stop! Sofort stoppen!
Erzähler: Augenblicklich wurde Gegendampf gegeben. - Das Schiff lag still. Da sah man schon, wie der junge Held mit dem Mädchen auf der anderen Seite des Dampfers wieder zum Vorschein kam. Sogleich war Old Firehand zur Stelle und ließ ein Tau herunter, an dem er die Beiden emporzog.
Er drückte dem Indiander herzlich die Hand und sagte:
Old Firehand: Mein junger roter Bruder hat Heldenmut bewiesen. Wie ist sein Name?
Kleiner Bär: Kleiner Bär.
Old Firehand: Vom Stamm der Tonkawas? Dann ist jener rote Mann dort dein Vater und heißt Großer Bär. Viel Gutes hörte ich über euch.
Kleiner Bär: Old Firehands Ruhm ist größer. Alle roten Männer sind glücklich, dass er ihr Freund ist. Aber da: Der Panther! Er ist aus den Fluten aufgetaucht und schwimmt auf ein kleines Floß zu, das sich uns nähert.
Old Firehand: Tatsächlich. Nanu. Die lustige Gestalt darauf kommt mir bekannt vor.
Kleiner Bär: Kleiner Bär sieht alte Frau?
Old Firehand: Ja, so sieht es aus. Doch diese alte Frau ist ein bekannter Westmann, der nur seiner närrischen Kleidung und der hohen Stimme wegen für eine Lady gehalten wird. Hat der Kleine Bär schon einmal etwas von Tante Droll gehört? Aber jetzt wird es höchste Zeit, dass man ihn warnt. Hallo! Tante Droll! Aufgepasst, der will euch fressen!
Erzähler: Die sonderbare "Tante" blickte zum Deck empor und erkannte den berühmten Jäger!
Tante Droll: Himmel. Ihr seid es Old Firehand. Freue mich, euch zu treffen. Ich will an Bord und habe mir deshalb dies Floß gebaut. Sagt, was ist das für ein possierliches Tierchen?
Old Firehand: Ein schwarzer Panther, der von Bord gesprungen ist. Macht euch davon!
Tante Droll: Seltsame Passagiere werden neuerdings befördert. Darf man das Vieh erschießen?
Old Firehand: Natürlich, wenn ihr es fertigbringt!
Erzähler: In den nächsten Augenblicken bewies die komische Gestalt einen Mut, den man ihr garnicht zugetraut hätte. Sie ließ das Raubtier gefährlich nah an das Floß herankommen und feuerte erst in der letzten Minute. - Der Panther versank tot in den Fluten. Erleichtert rief jetzt Old Firehand:
Old Firehand: Bravo, Tante Droll. Kommt an Bord!
Erzähler: Cornel Brinkley, der Anführer jener Bande hatte das Zusammentreffen von Old Firehand und Tante Droll aufmerksam verfolgt. Am späten Abend rief er seine Leute zusammen und flüsterte ihnen zu:
Brinkley: Hört mal her, Jungs. Ich hab diese Kerle belauscht. Also: Der Vater des geretteten Mädchens ist ein Ingenieur namens Petterson. Er zieht mit Old Firehand und dieser komischen Tante zusammen in die Berge. Dort wollen sie sich am Silbersee 'ne Silbermine ansehen. Firehand hat zwar davon gehört, dass der Silbersee selbst noch was viel wertvolleres birgt, nämlich einen unermesslichen Schatz, aber an welcher Stelle der liegt, das weiß er nicht. Nur ich hab nen Lageplan davon. Ich vergrub ihn vor Jahren. Aber bald hol' ich ihn mir und wer sich von euch besonders auszeichnet kann mir helfen, den Schatz zu heben.
Woodward: Aber wir sind völlig pleite, wir brauchen sofort Geld.
Brinkley: Ruhe. Nur deswegen habe ich euch doch von diesem Petterson erzählt. Er hat nämlich 9000 Dollars bei sich, in Banknoten.
Woodward: Heavens!
Brinkley: Er hat für seinen reichen Schwager Butler, der in Kansas eine Farm besitzt, Vieh verkauft. Auf seinem Weg in die Berge will er ihn besuchen und ihm das Geld übergeben. Das werden wir verhindern, indem wir ihn hier an Bord um die Dollars erleichtern.
Woodward: In Gegenwart von Old Firehand und diesem verrückten Frauenzimmer? Na, ist das nicht etwas gefährlich?
Brinkley: Trottel! Wenn sie's merken sind wir über alle Berge. Mein Plan ist schon fertig. Um Mitternacht schleich ich mich durchs Fenster in die Kabine des Ingenieurs und nehme sein Bowiemesser an mich, das ist nämlich sein Versteck für das Geld. Inzwischen hat einer von euch das Schiff angebohrt, so dass es Leck schlägt. In der Dunkelheit und allgemeinen Aufregung können wir unbemerkt das Schiff verlassen und uns in Richtung auf den Black Bear Fluß davonmachen. Wen wir uns dort vornehmen, erzähl ich euch später. Also los jetzt, an die Arbeit!
Erzähler: Der Plan der Cornels gelang, in allen Einzelheiten. Und während der Kapitän das leckgeschlagene Schiff ans Ufer laufen ließ, entwischte die ganze Bande. Bald darauf bemerkte der bestohlene Ingenieur den Verlust seines Geldes. Old Firehand hatte seine liebe Not, den aufgebrachten Mann zu beruhigen.
Old Firehand: Eure Dollars, Mr.Petterson, werdet ihr schon wieder sehen, davon bin ich überzeugt. Denn wir werden diese Tramps verfolgen.
Erzähler: Da fiel Tante Droll ein:
Tante Droll: Aber wie, Old Firehand? Die gottverdammten Banditen haben das große Beiboot gestohlen und sich über den Fluss davon gemacht. Ein solcher Fluchtweg hinterlässt nicht die geringste Spur.
Old Firehand: Halt. Wartet mal, Tante Droll. Ich sehe gerad, da unten entfernt sich noch ein anderes Boot mit zwei Insassen, die ich nicht genau erkennen kann. Jedenfalls rudern sie gewaltig, um aus der Nähe des Schiffes zu kommen. Die wollen wir uns mal vornehmen. He! Hallo! Wer seid ihr? Kehrt sofort um, oder ich lasse mein Gewehr sprechen!
Großer Bär: Old Firehand sei unbesorgt. Wir Großer Bär und Kleiner Bär!
Old Firehand: Ah, die beiden Tonkawas!
Großer Bär: Großer Bär hat gesehen wie roter Cornel und seine Leute das Boot zur Flucht nahmen. Da Cornel ihn schmählich beleidigte, wird Großer Bär ihn verfolgen, bis er sich gerächt hat.
Erzähler: Das Boot der Beiden entfernte sich zusehends schneller. Nun wandte sich Old Firehand wieder dem Ingenieur und Tante Droll zu.
Old Firehand: Was werden die Banditen jetzt wohl als nächstes unternehmen? Nun, was schätzt ihr?
Tante Droll: Nun, ich würde sagen, ihrem besitzergreifenden Charakter nach zu urteilen, werden sie sich nicht lange mit Mr. Pettersons Dollars zufrieden geben sondern werden versuchen baldmöglichst wieder jemand um seine Barschaft zu erleichtern.
Old Firehand: Das ist auch meine Ansicht, Droll. Und äh, wer käme da als nächstes Opfer in Frage? Bedenkt: Der Cornel muss unsere gesamte Unterhaltung heute nachmittag belauscht haben.
Erzähler: Tante Droll schaute Old Fierhand scharf an. Einen Augenblick dachte er angestrengt nach, dann platzte er heraus:
Tante Droll: Heavens, natürlich! In unserer trauten Runde war ja auch Tom, der schwarzbärtige Rafter. Er erzählte uns von einer stattlichen Summe, die er seinen Holzfällerkameraden am Black Bear Fluss bringen müsse. Oje! Oje, der ärmste tut mir schon im Voraus leid.
Old Firehand: Nicht doch, Droll! Sagt lieber dem schwarzen Tom Bescheid, dass wir ihn begleiten. Wir wollen sobald wie möglich aufbrechen. Euch, Mr. Petterson und eure Tochter sehen wir dann auf der Farm eures Schwagers wieder. Bis dahin: Viel Glück!
Erzähler: Auf ihrer Verfolgungsjagd hatten inzwischen die beiden Bären die Tramps belauschen können und erfahren, dass Brinkley es jetzt tatsächlich auf das Geld des schwarzen Tom abgesehen hatte. Sie folgten den Banditen solange, bis sie sahen, wo diese ihr Lager aufschlugen. Dann verständigten sie sofort die Rafters, deren Blockhaus nur eine halbe Stunde entfernt lag, von der bevorstehenden Gefahr. Der Anführer der Holzfäller, der alte Missouri-Blenter, wollte die Nachricht kaum glauben und sagte zum Großen Bären:
Blenter: Ich muss mich selbst davon überzeugen, ob uns wirlich eine derartige Gefahr droht. Wird der Große Bär mich zum Lagerplatz der Tramps führen?
Großer Bär: Er ist bereit.
Erzähler: Im Schutze der Nacht schlichen sich die beiden Männer bis in die nächste Nähe der Banditen. Der Cornel erläuterte seinen Männern gerade den Plan des Überfalls, da bemächtigte sich des alten Blenter, je länger er hin sah, eine merkwürdige Unruhe. Er erkannte in Brinkley den Mann wieder, der ihm vor Jahren teuflisch Frau und Kind ermordet hatte. Wie wahnsinnig starrt er ihn an und vergaß in der Erregung sich geduckt am Boden zu halten, so dass der Cornel plötzlich seinen Kopf entdeckte. Er unterbrach seine Rede unauffällig und sagte:
Brinkley: Mmmh, entschuldigt, Freunde, mir fällt gerade ein, dass ich dort bei den Pferden noch..., ach Woodward, komm am besten gleich einmal mit. - Ich verstelle mich nur. In Wirklichkeit liegt dahinten jemand im Gebüsch versteckt. Merkt er, dass wir es auf ihn abgesehen haben, läuft er mir davon. Wir gehen jetzt wie von ungefähr in seine Nähe und plötzlich werfe ich mich auf ihn. Sofort kommst du mir zu Hilfe, damit er sich nicht wehren und mich verletzen kann. - Achtung, es ist soweit. - Hab ich dich, du hinterlistige Ratte. Da, nimm das. Da! So!
Erzähler: Im Nu lag der alte Blenter überwältigt am Boden. Nur der Große Bär hatte die Absicht des Cornels noch rechtzeitig durchschaut. Ohne sich vom Boden zu erheben, war er hinter die zurückliegenden Büsche geschnellt und in den Wald entkommen. Er beobachtete noch, wie man Blenter fesselte und in die Mitte des Lagers schleppte. Da er einsah, dass er allein hier nichts ausrichten konnte, lief er, so schnell ihn die Füße trugen, davon, um die Rafters zu Hilfe zu holen. Inzwischen wurde der Gefangene der Tramps von ihrem Anführer ins Verhör genommen.
Brinkley: Gehörst du zu den Rafters, die da oberhalb des Flusses arbeiten?
Blenter: Ja.
Brinkley: Hmm. Dein Pech. Aber merkwürdig. Irgendwo hab ich dich schonmal gesehen. Halt. Jetzt erinner' ich mich. Etwa zehn Jahre ist es her, deine Familie hat dran glauben müssen. Nur du Kerl bist mir damals entkommen. (Lacht) Es ist dir hoffentlich klar, dass man einen so lästigen Zeugen nicht weiter herumlaufen lässt. Leute, dieser Mann muss zum Schweigen gebracht werden. Naaa, wer hat mir n Vorschlag zu machen?
Ein Tramp: Der Fluss, Cornel!
Ein Tramp: Ja, wir binden ihm Arme und Beine so fest zusammen, dass er nicht mehr schwimmen kann.
Ein Tramp: Den Rest, Cornel, besorgt das Wasser.
Ein Tramps: (Lachen)
Brinkley: Vorschlag angenommen, Leute. Führt ihn sofort aus.
Erzähler: Die Tramps fesselten den Alten jetzt fester. Und gerade wollten sie seinen Mund zubinden, da schrie er, so laut er konnte:
Blenter: Hiiilfeee, zu Hiiiillfeeeee!
Erzähler: Der Cornel wurde wütend und brüllte:
Brinkley: Verdammt, lasst ihn doch nicht so schreien. Hach, ich muss euch wohl selber zeigen, wie man sojemanden still macht.
Erzähler: Er ergiff sein Gewehr und holte aus um dem Alten einen Kolbenhieb auf den Kopf zu versetzen. Doch in diesem Augenblick löste sich ein riesenhafter Schatten aus dem Dickicht. Ein gewaltiger Schlag sauste auf den Cornel nieder und schreiend sank er rücklinks zu Boden. (Brinley schreit) Die Tramps gerieten in wilde Panik.
Tramps, durcheinander: Ein Überfall! - Zu den Waffen. - Es ist Old Firehand mit seinen Freunden. - Schießt doch! - Au. Idiot. Paß auf wohin du trittst. - So. Das wird sie zurückwerfen. Na, was hab ich euch gesagt? Aaa, verdammt, ich bin getroffen. - Hiergeblieben ihr Feiglinge,sie sind höchstens fünf Mann stark. - Wo ist denn der Gefangene? Wir können ihn als Geisel benutzen. - Zu spät, sie haben ihn befreit. - Achtung. - Es hat schon den siebten erwischt. - Flieht, Leute flieht!
Erzähler: Es fielen noch ein paar Schüsse, doch dann war der Kampf entschieden und Old Firehand rief:
Old Firehand: Freunde,lasst die Waffen schweigen. Es ist keiner mehr da, der sich wehrt.
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Erzähler: Kurz nach Beendigung des Kampfes trafen die beiden Bären mit den Rafters ein. Ihnen bot sich ein furchtbarer Anblick. Sieben oder acht Tramps lagen in Blutlachen tot am Boden. Fast alle übrigen waren verletzt worden, unter ihnen auch der Cornel. Es war ihnen erlaubt worden, sich gegenseitig zu verbinden. Dann wurden sie gefesselt und man hielt Gericht über sie. Das nahm einige Zeit in Anspruch. Doch schließlich erhob sich Old Firehand, um das Urteil zu verkünden. Es galt für alle Tramps, außer dem Cornel. Über diesen Verbrecher sollte gesondert verhandelt werden. Der Jäger <und> rief jetzt mit mächtiger Stimme:
Old Firehand: Hört her, ihr Galgenvögel. Für den heutigen Tag hat man euch keine Schandtat nachweisen können, zumindest keine ausgeführte. Deshalb lassen wir euch morgen früh laufen. Zur Strafe für den geplanten Überfall aber behalten wir eure Pferde und Waffen. Freut euch, dass ihr diesmal noch glimpflich davongekommen seid, und lasst euch ja nicht einfallen...
Brinkley: (Schreit)
Old Firehand: Was war das?
Verschiedene Personen, durcheinander: Der Indianer.- Seht nur, der Indiander. - Dort, beim Cornel. - Entsetzlich.
Tante Droll: Old Firehand, kommt her! - Während wir hier am Feuer standen, hat sich der Große Bär hinter den Cornel geschlichen und ihm plötzlich beide Ohren abgeschnitten. Hier, seht selbst.
Old Firehand: Mein Gott. Die Rache der Indiander ist grausam. Droll, wo ist der Große Bär jetzt?
Tante Droll: Er ist zum Fluss gelaufen und hat die Ohren hinein geworfen. Da kommt er zurück.
Old Firehand: Eigentlich müsste man ihn zur Rechenschaft ziehen. Weiß der Große Bär, dass er Unrecht getan hat?
Großer Bär: Weißer Jäger spricht als Bleichgesicht. Großer Bär hat gehandelt als roter Krieger. Ehrlicher Gegner, ehrlicher Kampf. Ungeziefer muss zertreten werden. Howgh.
Erzähler: Er ließ Old Firehand stehen. Seinem Sohn gab er ein Zeichen, ihm zu folgen. Dann schritten die beiden Indianer wortlos auf den Wald zu, um schließlich darin zu verschwinden. Auch die zurückbleibenden Weißen schwiegen, indem sie verblüfft den Tonkawas nachschauten. Nur das Schmerzensgewimmer des Cornels unterbrach die Stille. Schließlich fand als erster Tante Droll die Sprache wieder und fragte unvermittelt den alten Missourier:
Tante Droll: Sagt einmal, Blenter, ihr habt doch alle Gefangenen durchsucht. Seid ihr dabei auf das Geld gestoßen, dass man dem Ingenieur auf dem Schiff geraubt hat?
Blenter: Allerdings. Die gesamte Summe befand sich noch in Brinkleys Brieftasche. Ich habe das Geld sofort Old Firehand übergeben.
Tante Droll: Ausgezeichnet. Ach, noch was. Habt ihr euch auch die Leichen der gefallenen Tramps genau angesehen? Ich meine, vorsichtshalber, dass unter ihnen auch kein Scheintoter ist.
Blenter: Hab ich Tante Droll. Aber es war unnütze Arbeit. Von denen ist kein einziger mehr am Leben.
Erzähler: Doch das war ein verhängnisvoller Irrtum. Der Mann, auf dem der Cornel lag, hatte sich nur tot gestellt und ihm inzwischen unbemerkt die Handfesseln durchschnitten. Für die Fußfesseln war es schon zu spät, denn gerade wandte sich die Aufmerksamkeit der Männer wieder der Person des Cornels zu. Old Firehand blickte ihn scharf an und sagte:
Old Firehand: Mr. Brinkley. Ihr wisst, welch grauenhaften Verbrechens euch der Missouri-Blenter anklagt? Wenn es stimmt, was er sagt, dann gnade euch Gott.
Brinkley: Aber lieber Mr. Firehand, das muss eine schlimme Verwechslung sein.
Blenter: Er lügt. Vorhin hat er's ja selber zugegeben, laut und deutlich.
Old Firehand: Augenblick mal, Blenter. Das nützt uns jetzt aber nichts, denn nun streitet er's ab, zumal ihr für seine Äußerung von vorhin keine Zeugen habt. Auch genügt es nicht, wenn ihr behauptet, ihr erkennt ihn. So leid es mir tut, aber wir brauchen Beweise, handfeste Beweise. Habt ihr einen?
Blenter: Beweise? Hm, wie sollte ich? Ich äh, äh denke,ich... Halt doch. Es gibt einen Beweis. Ich hatte damals mit dem Mörder meiner Familie ein Handgemenge, wobei ich ihm mit dem Messer am linken Knie einen Stich beibrachte. Heute muss dort eine Narbe zu sehen sein.
Erzähler: Das kam dem Cornel wie gelegen, um auch seine Fußfesseln loszuwerden. Er spielte entrüstet den Unschuldigen und rief:
Brinkley: Bitte, bitte. Wenn's weiter nichts ist. Ihr könnt meine Knie beglotzen solange ihr wollt, verleumderischer Alter. Na los, fangt doch an.
Erzähler: In blinder Gereiztheit kniete sich Blenter vor den Cornel hin, der seine schon freien Hände noch immer auf dem Rücken versteckt hielt. Der Alte zerrte nervös die Lederriemen an den Waden los, bis sie zu Boden fielen. Nun wollte er Brinkley das linke Hosenbein hochstreifen. Doch kaum hatte er damit begonnen, da erhielt er von ihm einen solchen Tritt in den Magen, dass er ohnmächtig zu Boden sank.
Blenter: (schreit)
Erzähler: Dann sprang der Cornel auf und rannte wie ein Bessesener in den Wald. Höhnisch rief er zurück:
Brinkley: Goodbye, Gentlemen. Wir seh'n uns wieder.
Erzähler: Die Flucht des Cornels kam für die Männer derart unerwartet, dass sie zuerst wie gelähmt dastanden. Nur Old Firehand und Tante Droll besaßen eine Geistesgegenwart, die selbst in der ungewöhnlichsten Lage nicht versagte. Augenblicklich stürzten sie los, um die Verfolgung aufzunehmen. Aber Old Firehand kam der Bandit in die Quere, der Brinkley befreit hatte. Er wollte die Verwirrung ausnutzen und seinerseits fliehen, war jetzt aber mit dem hünenhaften Westmann zusammengestoßen. Der streckte ihn mit einem gezielten Faustschlag zu Boden und ärgerlich über den Zeitverlust befahl er den Umstehenden:
Old Firehand: Bindet diese hinterlistige Stinktier, dass es nicht noch mehr Unheil stiftet. Wo ist Droll?
Ein Rafter: Dort läuft er hinter dem Cornel her.
Old Firehand: Tatsächlich. Allerdings, einholen wird er ihn in seiner Weiberkleidung wohl kaum.
Erzähler: Das Gewehr laden und den beiden nachlaufen war für Old Firehand eins. Als er sich ihnen auf 50 Schritt genähert hatte, rief er:
Old Firehand: He, Brinkley, stehen bleiben oder ich jage euch eine Kugel in die Beine. Heavens, Tante Droll, raus aus meinem Schussfeld. Brinkley,ich mache ernst. Sofort stehen bleiben, oder ich... Droll, kommt doch zurück, sonst kann ich nicht schießen. Droll!
Tante Droll: Wartet Firehand, ich hab ihn doch gleich, wartet. Nanu, jetzt isser weg? Dabei hab ich ihn doch eben noch... Hm, ich äh, ich muss verschnaufen. Hallo, Old Firehand, seht ihr in noch?
Old Firehand: Nein. Auch ich hab ihn aus den Augen verloren. Aber nehmt's mir nicht übel, Droll, ich hätte ihn erwischt, wärt ihr mir nicht ständig vor der Flinte herumgelaufen. Und die gute Tante Doll wollte ich denn doch nicht über den Haufen knallen.
Tante Droll: Ich werd's euch nie vergessen. Kann mir der große Jäger noch einmal verzeihen?
Old Firehand: Schon gut, Droll. Doch nun kommt zum Lager zurück, eine weitere Verfolgung ist sinnlos geworden.
Tante Droll: Leider. Mutter Nacht hat der Erde ihr zerknautschtes Samtkissen übergeworfen: die Dunkelheit, sie begeht ihren Einbruch.
Old Firehand: He, he, he, he. Einbruch. Moment, das bringt mich auf nen Gedanken, Droll. Dem Cornel könnte einfallen, ins unbemannte Blockhaus der Rafters einzubrechen.
Tante Droll: Heavens, das stimmt. Eine bequemere Möglichkeit, sich mit Waffen und allem Nötigen zu versorgen, gibt es ja gar nicht. Wir müssen sofort mit den Rafters samt Gefangenen und Pferden dorthin aufbrechen.
Erzähler: Old Firehand hatte richtig vermutet. Nachdem Brinkley sich nämlich davon überzeugt hatte, nicht mehr verfolgt zu werden, war er unverzüglich zum Blockhaus der Holzfäller gelaufen. Er pirschte sich wie ein Luchs an die Tür und hörte drinnen Stimmen. Zu Tode erschrocken dachte er:
Brinkley: Hell and damnation. Sind also doch welche von den Hunden zurückgeblieben. Ein Glück, dass ich vorsichtig war, noch hat mich keiner bemerkt.
Erzähler: Doch er irrte sich. Aus dem Dunkel der Nacht tauchten plötzlich zwei Hände auf, legten sich lautlos um seinen Hals, und drückten ihm die Kehle zu. Der Cornel schnappte krampfhaft nach Luft.
Brinkley: (Röchelt) Aufhörn! Sofort aufhörn. Ich ersticke.
Erzähler: Der Griff wurde etwas gelockert.
Brinkley: Aaah. Wer seid ihr? Was hab ich euch denn getan?
Woodward: Ruhe. Ohne Widerstand ins Haus. Kameraden kommt her. Wir wollen uns den Burschen mal bei Licht ansehen. (Streichholz wird angezündet) Heavens! Der Cornel!
Erzähler: Auch Brinkley erkannte, mit wem er es zu tun hatte.
Brinkley: Woodward - Du? Verdammt, bin ich erleichtert. Ah, da sind ja auch Reynolds, Evans, Miller und Clift.
Woodward: Ja, Cornel, wir konnten Old Firehand im letzten Moment entkommen. Dir scheint's allerdings verdammt dreckig gegangen zu sein. Die Ohren haben sie dir abgeschnitten, diese Hunde. Los, Leute, legen wir dem Cornel einen Notverband an.
Brinkley: Danke, Jungs. Aber beeilt euch, es ist damit zu rechnen, dass sie bald hierher zurückkommen.
Woodward: Selbstverständlich, Cornel. So, schön still halten.
Brinkley: (Stöhnt) Sagt mal, ihr habt hoffentlich Waffen hier gefunden.
Woodward: Ach, mehr als genug, Cornel.
Brinkley: Ausgezeichnet. Au, nicht so fest. Und, wisst ihr, ob sie unten am Fluss ein Boot liegen haben?
Woodward: Ja, wir haben dort eins gesehen.
Brinkley: Eine gute Nachricht. Au! Ist der Verband bald fertig?
Woodward: Fertig, Cornel.
Brinkley: Gott sei Dank!
Erzähler: Brinkley erhob sich.
Brinkley: So, Jungs, wir nehmen an Gewehren, Revolvern, Munition und Proviant soviel mit wie wir tragen können und machen uns auf dem Wasserwege davon. Schnell, schafft die Sachen ins Boot.
Erzähler: Nach ein paar Minuten waren die Tramps soweit und der Cornel stellte befriedigt fest:
Brinkley: Nun brauchen wir nur noch das Blockhaus in Brand zu stecken, dann können wir verschwinden. (Zündholz, prasselndes Feuer) Jetzt aber nichts wie weg. Gleich hat das Feuer die restliche Munition im Haus erreicht. Wird 'n verdammt hübsches Konzert geben. (lacht)
Erzähler: Wenig später traf Old Firehand mit seinen Leuten an der Brandstätte ein. Die Rafters tobten vor Wut, denn neben ihren paar Habseligkeiten war auch die gesamte Holzfällerausrüstung vernichtet worden. Da erzählte ihnen Old Firehand von seinem Vorhaben am Silbersee. Er konnte arbeitserprobte, mutige Männer wie die Rafters bei der Erschließung der Silbermine gut brauchen und versprach, sie reichlich zu entlohnen, wenn sie mit ihm zögen. Sein Vorschlag fand begeisterte Aufnahme. Am nächsten Morgen ließ man die Gefangenen laufen und ritt dann auf den erbeuteten Pferden in Richtung Westen. Das erste Ziel war Butlers Farm,wo sich Old Firehand mit Petterson, dem Ingenieur, treffen wollte. Es wurde ein anstrengender Ritt, denn über die Prärie ergoss sich der heftigste Gewitterregen. Da gerieten sie, etwa eine Stunde vor der Farm, in einen Hinterhalt. Von einem der umliegenden Hügel ertönte plötzlich ein Warnschuss, und eine Stimme rief:
Humply-Bill: Ergebt euch, ihr seid umzingelt.
Erzähler: Old Firehand behielt die Ruhe und selbsbewusst rief er zurück:
Old Firehand: Kommt zum Vorschein, wenn ihr von Old Firehand etwas wollt.
Erzähler: Beim Klang dieses Namens ließ der Gegner alle Vorsicht fahren. Hinter einem Busch kam ein buckliges Kerlchen hervor und lief aufgeregt dem Westmann entgegen. Der rief voller Erstaunen aus:
Old Firehand: Der Humply-Bill, das nenn ich eine Überraschung. Oh, wie ich sehe, seid ihr nicht allein, dort kommen ja auch der Osagenhäuptling Gute Sonne und sechs seiner Krieger.
Erzähler: Es gab eine herzliche Begrüßung, in deren Verlauf der Humply-Bill Old Firehand erklärte:
Humply-Bill: A, wir hatten euch im ersten Moment für einen Verfolgungstrupp von Tramps gehalten und ä
Old Firehand: Tramps? Sind welche in der Nähe?
Humpy-Bill: Ja, etwa drei- bis vierhundert Mann. Um Pferde zu stehlen, überfielen sie einen Stamm der Osagen und haben manchen Roten dabei getötet. Den Häuptling und diese sechs Krieger nahmen sie gefangen. Aber Gute Sonne gelang es sich und die anderen zu befreien. Auf der Flucht begegneten sie mir. Jetzt sind wir auf dem Weg zu Butlers Farm
Old Firehand: Heavens, das ist auch unser Ziel.
Humply-Bill: Hähä,ich weiß es.
Erzähler: Jetzt schaltete Tante Droll sich ein:
Tante Droll: Woher wisst ihr es? Seid ihr unter die Hellseher gegangen?
Humply-Bill: Hähä, das nicht, sondern wir haben die Tramps belauscht. Ihr Wortführer, 'n rothaariger Kerl, dem die Ohrmuscheln fehlten,
Tante Droll: Der Cornel? Nicht zu glauben, in welcher Geschwindigkeit dieser Schurke neue Galgenvögel um sich schart. Noch vor einem Tag war er unser Gefangener, Bill.
Humply-Bill: Ja, er berichtete von seiner Flucht. Es ist im gelungen, sich zu diesem großen Tramp-Meeting durchzuschlagen, dass jedes Jahr im Ossech- Nuke stattfindet. Die Kerle müssen ihn mit offenen Armen empfangen haben, denn er führt dort das große Wort. Er plant Butlers reiche Farm zu überfallen und auszurauben. Was euch anbetrifft, hört' ich ihn sagen, irgendwann dürften auch Firehand und Droll auf der Farm auftauchen, aber bei unserer Übermacht können sie nicht das geringste ausrichten.
Old Firehand: Tje, das wird sich zeigen. Allerdings brauchen wir die Unterstützung der Osagen. Kann Häupling Gute Sonne versuchen, so schnell wie möglich viele Krieger seines Stammes zu Hilfe zu holen?
Gute Sonne: Tramps viele Osagen getötet. Osagen werden Tag der Rache nicht versäumen. Old Firehand möge sich auf Gute Sonne verlassen. Howgh!
Erzähler: Damit schwang der Indianer sich aufs Pferd und preschte in Begleitung seiner sechs Krieger davon. Nun rief Old Firehand:
Old Firehand: Auch wir haben keine Zeit zu verlieren, Leute. Auf die Pferde! Vorwärts!
Erzähler: Nach hartem Ritt hatten die Männer die Farm erreicht, wo sie von Mrs. Butler empfangen wurden. In aller Kürze informierte Old Firehand die Frau, die im entsetzt erwiederte:
Mrs. Butler: Ein Überfall? Herr im Himmel! Mein Mann ist nicht zu hause. Gestern traf mein Bruder, Mr. Petterson, mit seiner Tochter Ellen ein und da er euch Mr. Firehand nicht sobald hier erwartete, sind die drei heute zum Fort Dodge geritten, um Kleider für das Mädchen zu kaufen. Wann sie zurückkommen, weiß ich nicht. Ich werde ihnen sofoert zwei von unseren Knechten entgegenschicken, die sie warnen sollen. Alle anderen hören von nun an auf euer Kommando.
Erzähler: Sofort organisierte Old Firehand die Verteidigung der Farm. Eine Frage beschäftigte ihn dabei besonders: Würden die Osagen der kleinen Besatzung noch rechtzeitig zu Hilfe kommen? Aber die Nacht ging vorüber, ohne dass ein einziger Indianer erschienen war. Dafür erspähte der Jäger bald die Tramps. Ein riesiger Reiterhaufen galoppierte auf die Farm zu, offenbar in der Absicht, sie im Sturm zu nehmen. Old Firehand ließ sie bis auf achtzig Schritt herankommen, dann gab er den Befehl zum Schießen.
Old Firehand: Jetzt - Feuer.
Erzähler: Die Gegenwehr traf die Tramps völlig unvorbereitet. Dreißig von ihnen wurden getötet, die anderen ergriffen die Flucht. Eine Zeitlang herrschte jetzt Ruhe. Da rief Tante Droll plötzlich vom Ausguck:
Tante Droll: Die Tramps reiten nach Norden, zu den Herden der Farm. Old Firehand, sollen wir tatenlos zusehen, wie sie die Viecher abschlachten?
Old Firehand: Nein, dazu lassen wir es nicht kommen. Fünf Leute bleiben hier, der Rest folgt mir.
Blenter: Old Firehand, ist das nicht zu riskant? Erstens lassen wir die Farm ohne Schutz, zweitens haben wir paar Mann doch keine Chance, die Tramps in offener Schlacht zu besiegen.
Old Firehand: Das wollen wir auch nicht, Blenter. Ihr seht doch jenen langgestreckten, bewaldeten Hügel dort. Dahinter befinden sich jetzt die Tramps. Wir reiten nun von unserer Seite aus zum Hügel, wobei uns die Kerle nicht sehen können und schicken ihnen gut geschützt von oben unsere Kugeln. Danach müssen wir natürlich sofort zur Farm zurück. Ich weiß, das ganze ist ein Wagnis, aber wir dürfen das Handeln nicht ihnen überlassen. Und nun: Vorwärts!
Erzähler: Wieder traf die Tramps der Angriff aus heiterem Himmel. Da er aber aus größerer Entfernung geschah, waren ihre Verluste diesmal nicht so groß. Sie verschanzten sich, und eröffneten ihrerseits das Feuer. Dabei hatte sich unversehends ihre Front so in die Breite gezogen, dass Old Firehands Männern plötzlich der Rückweg abgeschnitten war. Jetzt sah es schlecht für sie aus. Unerschüttert aber sagte Old Firehand:
Old Firehand: Immerhin ist es ein Glück, dass die Tramps nicht auf den Einfall gekommen sind, jetzt die schutzlose Farm zu erobern. Stattdessen versuchen sie uns vollständig einzukreisen. Aber verliert nicht den Mut, Freunde. Mit Tapferkeit hat schon mancher... Heavens, was seh' ich? Die Indiander kommen. Die Osagen! Da, jetzt fallen sie den Tramps in den Rücken. Bravo! Leute, jetzt ist die Reihe an uns. Wir müssen den Ring zu den Osagen schließen, dann sind die Tramps eingekesselt. Feuert, was die Flinten hergeben. - Achtung, sie wollen fliehen. Seht zu, dass sie die Reihen der Indianer nicht durchbrechen.
Humply-Bill: Zu spät, sie haben's schon geschafft, sollen wir sie verfolgen?
Old Firehand: Nein, für ein Handgemenge mit ihnen sind wir zu schwach.
Erzähler: Jetzt lenkte Old Firehand sein Pferd zum Häuptling der Osagen und sprach:
Old Firehand: Ich danke meinem roten Bruder, dass er mit seinen Kriegern den Sieg gebracht hat. Ist Gute Sonne bereit, uns zur Verstärkung fünfzig Mann mit auf die Farm zu geben?
Gute Sonne: Gute Sonne hat nichts dagegen. Mit den übrigen hundert Kriegern wird er sich zur Sicherheit weiter hier bei den Herden aufhalten.
Erzähler: Schnell war Old Firehand mit den Osagen und seinen Leuten auf der Farm angelangt. Dort begab er sich sofort mit einem Fernrohr auf das Dach um die Tramps zu beobachten. Aber die Stunden vergingen und der Jäger hatte nichts verdächtiges bemerkt, als Tante Droll sich bei ihm erkundigte:
Tante Droll: Na, Old Firehand, was machen die Halunken?
Old Firehand: Sie lagern immer noch dort hinten in sicherer Entfernung. Hab' das Gefühl, sie wollen uns bei Nacht... halt, was seh' ich da? Drei Reiter kommen ganz friedlich auf die Farm zu? Heavens, es sind...
Tante Droll: Etwa Butler, Petterson und das Mädchen?
Old Firehand: Ja, verdammt! Der Bote hat sie wohl nicht erreicht. Die Ahnungslosen reiten den Tramps ja geradezu in die Arme.
Tante Droll: Kann man sie nicht noch irgendwie warnen?
Old Firehand: Zu spät. Die Kerle haben sie schon bemerkt. Da, nun schwärmen sie aus. Sie nehmen die drei gefangen. Ich glaube, nun brauchen wir auf einen Erpressungsversuch nicht lange zu warten.
Erzähler: Und wirklich. Bald erschienen zwei Tramps vor der Farm. Sie schwenkten weiße Tücher und verlangten Old Firehand zu sprechen. Der aber rief ihnen zu:
Old Firehand: Wenn ihr was von uns wollt, so schickt den Cornel. Für ihn werde ich einen Augenblick zu sprechen sein, falls er sich anständig aufführt.
Erzähler: Es dauerte nicht lange, und man sah, wie vom feindlichen Lager aus ein Mann die Hälfte der Strecke zur Farm zurücklegte und dort wartete: der Cornel. Nun verließ auch Old Firehand den Schutz seiner Leute und gemessenen Schrittes näherte er sich dem rothaarigen Banditen. Der empfing ihn höhnsich mit den Worten:
Brinkley: Sieh' da, der berühmte Old Firehand. Ihr sollt heute Gelegenheit haben, euren sagenumwobenen Heldentaten eine weitere hinzuzufügen, indem ihr drei Menschen das Leben rettet. Wir haben nämlich...
Old Firehand: Spart euch eure Unverschämtheiten. Außerdem weiß ich bereits, dass die drei in eurer Hand sind.
Brinkley: Umso besser. Kommen wir also zum Geschäft. Ihr werdet erstens dafür sorgen, dass wir zwanzigtausend Dollars kriegen. Soviel wird auf der reichen Farm mindestens zu beschaffen sein. Zweitens überlasst ihr uns von den Herden die nötige Anzahl Rinder, dass wir Fleischvorrat machen können. Dafür erhaltet ihr die Gefangenen zurück und wir ziehen ab. Akzeptiert ihr nicht, werden die drei aufgeknüpft. Nun?
Old Firehand: Solchen Vorschlag wagt mir eine Bandit zu machen? Verschwindet auf der Stelle, und glaubt ja nicht, dass euch die Ermordung dreier Menschen auch nur einen einzigen Vorteil brächte. Mein ganzes Leben würde ich euch verfolgen, bis die blutige Tat gerächt ist. Ja los, los. Packt euch, eh' ich mich vergess'!
Erzähler: Zornbebend und unter lauten Flüchen trollte sich der Cornel davon. Dabei musste er sich eingestehen:
Brinkley: Dieser Firehand würde seine Drohung wahrmachen. Und soll ich unnötig mein Leben riskieren? Gerade jetzt, wo ich vorhabe, den Schatz im Silbersee zu heben? Nein. Ich muss die Gefangenen am Leben lassen. Die Farm (lacht), die wird trotzdem in unsere Hände fallen. (lacht)
Erzähler: Als es dunkel geworden war, verlegten die Tramps heimlich ihren Standort. Sie befanden sich jetzt direkt am Ufer des Flusses, der sich breit vor der Farm entlangzog. Nur die Osagen hatten diese Verschiebung bemerkt. Sie schickten sofort einen Boten auf die Farm, der Old Firehand informiert. Daraufhin fasste der Jäger einen kühnen Entschluss. Er sagte:
Old Firehand: Wenn sie sich so nah herangewagt haben, gibt es gar keinen Zweifel, dass sie heute nacht noch die Farm erobern wollen. Aber dazu werden sie nicht kommen, weil wir sie vorher überfallen. Zur Hälfte haben sie sich schon selbst eingekesselt, denn sie befinden sich zwischen Fluss und Farm. Wenn wir nun die beiden anderen Seiten noch abriegeln, haben wir sie fest. Wir werden hier nur soviele Männer, wie zum Schutze der Mauer nötig sind, zurücklassen. Mit dem Rest schleichen wir uns von Süden an den Feind. Den Häuptling Gute Sonne bitte ich hiermit, seine Krieger von Norden her angreifen zu lassen. Das Angriffszeichen ist das Heulen eines Schakals.
Erzähler: Der Bote der Osagen hatte verstanden und beeilte sich, zu seinen Leuten zurückzukehren. Jetzt meldete sich Tante Droll zu Wort.
Tante Droll: Was die Gefangenen anbetrifft, so glaube ich, dass sie unbedingt vor dem Überfall befreit werden müssen. Oder es geht ihnen dreckig. Ich habe da einen Vorschlag. Zur Trinkwasserversorgung gibt es zwischen Farm und Fluss einen unterirdischen Kanal. Seine verborgene Mündung liegt genau am Lagerplatz der Tramps. Was meint ihr, Old Firehand, soll ich...
Old Firehand: Okay, Droll. Blenter und der Humply-Bill werden euch dabei helfen. Wenn ihr fertig seit, gebt ihr das Zeichen.
Erzähler: Fünf Minuten später waren die drei schon am Ende des Kanals angelangt. Droll flüsterte den Gefährten zu:
Tante Droll: Seht ihr. Die Gefangenen sitzen direkt am Fluss, außerhalb der Reichweite des Lagerfeuers, genau wie es der Bote der Osagen beschrieben hatte. Wartet jetzt hier, bis ich zurück komme.
Erzähler: Katzenartig schlich sich die lustige Gestalt im Schutze der Dunkelheit hinter den Wächter der Gefangenen und zückte ihr Messer. Ein gezielter Stich ins Herz und das Opfer sank röchelnd zu Boden. Mehr war nicht zu hören. Nun befreite Droll vorsichtig die Gefangenen und schlich sich mit ihnen zum Kanal zurück. Butler und Petterson erhielten dort Gewehre und dem Mädchen wurde befohlen, sich sofort auf dem unterirdischen Wege zur Farm zu begeben. Jetzt wurde es höchste Zeit für den Angriff, denn gerade hatte ein Tramp das Verschwinden der Gefangenen und den Tod des Wächters bemerkt. Doch ehe er Alarm schlagen konnte, gab Tante Droll das Angriffszeichen. (Heulen) Dann schoss er den Mann nieder. Wie ein tödliches Echo krachten jetzt Schüsse von allen Seiten. Bei den Tramps brach heillose Verwirrung aus, die noch dadurch verstärkt wurde, dass die Gegner sofort zum Nahkampf übergingen. Mit Gewehrkolben, Tomahawks und Bowiemessern drangen Old Firehands Leute und die Indianer auf die Banditen ein und töteten sie wie die Fliegen. Manche versuchten sich über den Fluss davonzumachen, aber ehe sie im Wasser untertauchen konnten, hatten sie die Kugeln der Männer und Tante Droll getroffen. Während der Kampf auf dem Höhepunkt tobte, hörte man plötzlich jemanden brüllen:
Brinkley: Fort! Fort zu den Pferden!
Erzähler: Augenblicklich schrie Old Firehand:
Old Firehand: Das war der Cornel. Werft euch auf ihn. Lasst ihn nicht entkommen.
Erzähler: Der aber schien mit dem Teufel verbündet zu sein. Er hatte sich sofort hinter Büschen versteckt und war schließlich nicht mehr aufzufinden. Noch ein paar anderen Tramps war die Flucht geglückt. Zwar wurde ihre Verfolgung aufgenommen, aber in der Dunkelheit, fern vom Lagerfeuer, waren Freund und Feind nicht mehr auseinanderzuhalten, und um Verwechslungen zu vermeiden, brach man die Jagd ab. Old Firehand befahl:
Old Firehand: Umkehren. Wir wollen wenigstens verhindern, dass die Verwundeten sich verstecken, um dann zu entkommen.
Erzähler: Doch die Sorge war überflüssig. Die rachedurstigen Indianer hatten sich nicht an der Verfolgung beteiligt, sondern den Kampfplatz sorgfältig abgesucht um jeden noch lebenden Tramp zu töten und zu skalpieren. Als die Verfolger zurückkehrten, waren die Indianer schon bei ihrem Siegestanz. Old Firehand zählte die Leichen und teilte seinen Leuten das Ergebnis mit.
Old Firehand: Auf jeden Sieger kommen zwei Besiegte. Wir können beruhigt sein. Der kampf um die Farm ist entschieden.