Hans Paetsch

Der Märchenprinz


Spätestens bei Track 12 ist alles vorbei. Wenn Hans Paetsch sein Vermächtnis an die Fangemeinde übergibt, verdickt sich ein Kloß im Hals, die Augenwinkel schimmern feucht. Den Kindern "möget Ihr, so meine Bitte, die guten alten Märchen geben, damit Eure Träume in ihrer Mitte weiterleben", sagt die Überstimme des deutschen Audio-Spiels.

Zu hören ist das und noch viel mehr auf der CD gewordenen Hommage "Hans Paetsch – der Märchenprinz". Den Großteil der Aufnahmen mit dem Sprecher hat Andreas Baier 1998 gemacht; die letzten Takes entstanden etwa ein halbes Jahr vor Paetschs Tod am 3. Februar 2002. Baier, der gelernte Fotograf, Texter und Werbefachmann produzierte erstmals 1996 mit seiner Ikone, die damals schon 86 Jahre alt war. "Zunächst waren es einige Anti-Raucher-Spots", erinnert er sich. "Die Odyssee, die ich absolvieren musste, um endlich einen Plattenvertrag zu bekommen, war gigantisch", verrät er. Jetzt ist Baier "einfach froh, dass die CD endlich vorliegt".

Allerdings verrät gleich der erste Track die Problematik der Hommage: Es befremdet, wenn Paetsch im Rap-Rhythmus "Weit über 80 Jahre bin ich alt" singt und der Kinderchor, untermalt vom EUROPA-typischen Tschaikowsky-Schwanensee, trällert: "Du bist der Märchenprinz". Der Mann, der jahrzehntelang trotz seiner Beliebtheit bescheiden im Hintergrund blieb, bespiegelt sich erstmals selbst. Paetsch wird zum Popstar hochgejubelt und mythologisiert.

Was besagte Rührung nicht ausschließt. Paetschs Stimme klingt in hohem Alter noch knarziger und wärmt nach wie vor. Meisterhaft, wie er Goethes "Zauberlehrling" rezitiert; witzig, wie er das Känguruh "Penny Pennsylvania" hüpfen lässt. Andreas Baier hat unterschiedlichste Soundteppiche unter das berühmte Organ gelegt: technoide, klassische, poppige. Mal harmoniert das mit dem Gesprochenen, mal stört es. Es sind historische wie auch Baier-Texte, die Paetsch vorträgt.

Die gesamte Produktion ist zwar gedacht für Leute zwischen 3 und 99, doch sie verebbt im Niemandsland zwischen Erwachsenenwelt und Kinderkosmos. Die einen Texte sind für große Hörer zu naiv, die anderen für Knirpse zu kompliziert. Ergo: "Der Märchenprinz" ist ein Nischenerzeugnis, etwas für Hardcore-Paetscher, die einfach froh sind, diese wunderbare Stimme in anderen akustischen Zusammenhängen hören zu können. Für die – und damit Schluss mit dem Gemecker – ist die Produktion ein Muss. Auch wegen des optischen Außenlebens: Booklet und Inlet enthalten drei wunderschöne Fotos des Erzählers; gemacht von Thomas Rusch, von Baier unaufdringlich am Computer verfremdet. Die Aufnahmen zeigen Hans Paetsch, wie er war: ein liebevoller Wunsch-Onkel, der noch Kind sein kann, der gelassen und vielleicht ein bisschen amüsiert den Kult um seine Person beäugt.

"Kurz vor dem Einschlafen, stimmt’s, da war ich Euer Märchenprinz". Ob es nun doch die berühmte Eitelkeit des Künstlers war oder die Rührung über seinen Anbeter Andreas Baier, dass Paetsch sich zum Gegenstand einer kompletten CD machen ließ – wir werden’s nie erfahren. Fest steht: Schon längst ist er ein König. Nur offizielle Krönung und huldvolles Winken ins Volk, das steht ihm nicht.

Mark Daniel

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