Special Nr. 7: Die Bestseller-Serie


Einleitung

Im Jahre 1983 bäumte sich der Hörspiel-Gigant EUROPA in einer Art Befreiungsschlag noch einmal zu voller Größe auf: über die Produktion von bloßen Kinder- und Jugend-Hörspielen hinaus begann man mit dem Versuch, den Markt der erwachsenen Käuferschicht zu erobern.

Logo Bestseller
Um es vorwegzunehmen: der Versuch scheiterte. Offenbar hatten andere Medien inzwischen weitaus mehr Einfluß auf die Jugendlichen, aber auch die Erwachsenen gewonnen. So verblieb es bei - wie ich finde - qualitativ beachtlichen, aber kurzen neuen Serien, die in der Regel die jeweils 12. Folge nicht überlebten.

Neben Perry Rhodan, Edgar Wallace, Macabros, Sherlock Holmes, Larry Brent und einigen anderen erschien bei EUROPA unter dem Schlagwort "Hörspiele für Erwachsene" dann auch eine zehnteilige Serie von Cassetten, deren jeweiliger Vertonung ein Roman aus dem weiten Bereich der Belletristik zugrunde lag. Diese kleine Reihe firmierte unter dem Logo Bestseller-Hörspiele. Nur aus dem Text des Inlays und der typisch-gelben Farbe des Cassettengehäuses selbst ergab sich, daß auch hier das Haus Miller am Werke war. Sämtliche Produktionen standen unter der Regie Heikedine Körtings und basierten auf Hörspielfassungen von H.G. Francis.

Ebenfalls unter dem Logo Bestseller-Hörspiele erschienen zehn Folgen, die aus Abmischungen der Fernsehserie "Dallas" bestanden. Da es sich hier um bloße Übernahmen der Originalsynchronisation handelt, denen zur Verbindung der einzelnen Szenen lediglich ein Erzähler beigemischt wurde, sollen diese zehn Folgen hier keine Rolle spielen.

Die erstgenannten zehn Folgen der Serie ließen keine Untiefe der Trivialliteratur aus: Heinz G. Konsalik, Erma Bombeck, Marie Louise Fischer und Utta Danella - Herz, Schmerz, Terz. Es wäre jedoch gelogen, zu behaupten, daß diese Produktionen keinen Unterhaltungswert besäßen: solange man bereit ist, sich auf das jeweilige Sujet einzulassen, kann man durchaus mit einem gewissen Hörvergnügen rechnen.

Das liegt nicht zuletzt an der Sprecherriege, welche alle großen Namen versammelt, die jemals bei EUROPA gewirkt haben: Pinkas Braun, Horst Frank, Claus Wilcke, Judy Winter, Volkert Kraeft, Uwe Friedrichsen, Manfred Steffen, Ursela Monn, Karin Anselm, Horst Janson, Günther Ungeheuer und so weiter, und so weiter. Ganz zu schweigen vom Stammensemble wie Gottfried Kramer, Wolfgang Draeger, Henry Kielmann, Joachim Wolff, Katharina Brauren, Douglas Welbat und Gisela Trowe. Auch diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Heute zu Phantasiepreisen gehandelt, schien der Serie damals (1983) kein Erfolg beschieden gewesen zu sein: mehr als diese zehn Folgen, die alle gleichzeitig veröffentlicht wurden, kamen nie ans Kaufhauslicht. Dabei hatte man sich solch große Mühe mit der Edition gegeben: alle Cassetten erschienen jeweils in einer ca. DIN A5-großen Pappschachtel, welche die Aufmerksamkeit der Käufer steigern sollte. Reißerische Texte und ein eigener Pappaufsteller für diese Reihe unterstützten dieses Ziel. Der Kaufpreis lag bei 10,--DM.

Ich habe aus Gründen der Übersichtlichkeit darauf verzichtet, eine komplette Sprecherkorrektur aufzulisten, ja, sogar die gesamte Besetzungsliste wiederzugeben. Letztere umfaßt oft mehr als 20 Rollen und es würde den Rahmen dieses Specials sprengen, hier entsprechend erschöpfende Arbeit zu leisten.


[1] Heinz G. Konsalik: Der Leibarzt der Zarin

Zarin
Man mag gar nicht glauben, daß so etwas Harmloses wie Larry Brent (9) der Bundesprüfstelle Sorgen bereitete: werden in dieser Geschichte doch laufend Menschen geblendet, ihnen die Zungen herausgeschnitten, die Augen ausgestochen oder (im günstigsten Fall) sie wilden Bären zum Fraß vorgeworfen: ein lustiges Treiben am Hofe Iwan des Schrecklichen. Heinz G. Konsalik zeichnet verantwortlich für die Romanvorlage, welche die Liebesbeziehung zwischen der Zarin (Gisela Trowe) und ihrem Leibarzt (Volkert Kraeft) schildert. Letzterer entdeckt zufällig die geheimen Gänge unter dem Kreml, wo seit 20 Jahren eine Familie lebt, die sich um die bereits erwähnten Bären kümmert. Die Tochter (Maritta Fliege) gefällt dem feschen Arzt so gut, daß er nur noch zwischen der Zarin (nachts) und Xenia (tagsüber) hin- und herpendelt. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen und schließlich soll auch er das Augenlicht verlieren, meint die Zarin. Allerdings kann der Arzt vorher mit seiner kleinen Bärenhüterin entkommen.

Die Cassette hält echte Höhepunkte bereit: Gisela Trowe ist eine lüsterne Zarin, von der man sich nicht vorstellen kann, daß sie irgendwann einmal bekleidet erscheint, Gottfried Kramer ist natürlich Iwan der Schreckliche, der den Arzt auffordert, sich doch mal anzuschauen, wie man eine Zarin richtig befriedigt (was dann auch als Quickie im Hörspiel zu hören ist) und Herr Dr. Beurmann versucht unbekümmert wie eh und je, den minderjährigen (!) Zarewitsch zu sprechen. Dazwischen tummeln sich Ernst von Klippstein und Katharina Brauren und haben die undankbare Aufgabe, etwas Rußlandstimmung zu erzeugen. Die Musik liefert Peter Tschaikowsky, der für dieses Hörspiel eigens ein paar Symphonien komponierte. Tja, viel Spaß für 10,--DM.

Bestellnummer: 551.001.5


[2] Heinz G. Konsalik: Fronttheater

Fronttheater
Und noch einmal Konsalik: Irgendwie ist Nazi-Zeit, die Bösen rufen zu Hause immer "Heil Hitler!" und die Guten sind an der Front. Uwe Fridrichsen ist ein Guter, Wolfgang Draeger auch, deshalb sind beide beim "Fronttheater". Der Böse ist - Gottfried Kramer: er brüllt herum, weiß nichts, kann nichts und hat natürlich einen Mord auf dem Gewissen. Das wiederum weiß Fritz Garten (Friedrichsen), und so versucht nun der böse Planitz (Kramer) den guten Garten auszuschalten. Das geht selbstverständlich schief und am Schluß kriegt Planitz `ne Handgranate an den Kopf. Alle anderen heiraten und der Krieg ist aus. Ende.

Was wirklich Spaß bei diesem Hörspiel macht, ist die Anzahl der Personen. Auch nach mehrmaligem Hören muß ich mir noch immer eine Strichliste machen, wer mit wem verlobt oder befreundet ist. Hinzu kommt die etwas verunsichernde Idee, ständig "Les Preludes" von Franz Liszt als Zwischenmusik zu benutzen. Die Idee hatte man damals im Dritten Reich auch und brachte sie immer zur Untermalung der Siegesberichte von der Ostfront. Sehr stilecht also, diese Produktion.

Bestellnummer: 551.002.3


[3] Erma Bombeck: Nur der Pudding hört mein Seufzen

Pudding
Erma Bombeck unternimmt hier den weitgehend geglückten Versuch, die Alltagssorgen einer Ehefrau und Mutter unterhaltsam an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Judy Winter schlägt sich durch ca. 50 Minuten Monolog mit kurzen Szenchen, die dann allerdings sehr kurzweilig geraten. Die panische Mutter erleidet eine Strick-Manie, beim Abendessen wird über das Erbrochene von Schulfreund Charlie diskutiert, der Vater (Claus Wilcke) legt bei seinen heimwerkerischen Anfällen den Haushalt lahm und so weiter... Erst als die Kinder schließlich erwachsen sind, bemerkt Muttern, wie schön die scheinbar so aufregende Zeit eigentlich war...

Und genau hier wird die unüberbrückbare Kluft zwischen der Unterhaltungsliteratur und dem Anspruch, Inhalte vermitteln zu wollen, mehr als deutlich: während der Hörer 50 Minuten lang durch den chaotisch-fröhlichen Haushalt der Familie geschaukelt wird, endet das Hörspiel in einer Katerstimmung. Und zumindest ich für meinen Teil stecke die Cassette immer in dem Gefühl ins Regal zu zurück, dass es schrecklich sein muß, Mutter oder Vater zu sein. Denn letzten Endes droht einem doch nur der Verlust der Kinder.

Im übrigen lernt der Hörer die gesamte Ouvertüre zu Johann Strauß' Operette "Die Fledermaus" in kleinen Häppchen kennen. Wer auch immer am Mischpult saß: er hatte offensichtlich nur dieses eine Musikstück zur Untermalung zur Verfügung, sieht man von ein oder zwei kleinen Ausnahmen ab.

Bestellnummer: 551.003.1


[4] Heinz G. Konsalik: Wer stirbt schon gerne unter Palmen

Palmen
Und wieder ein Konsalik: Familie Bäcker ist mit ihrem kleinen Boot auf dem Meer unterwegs, als ein Sturm das Schiff untergehen und Mutter und Kinder sterben läßt. Vater Werner (Uwe Friedrichsen) erreicht eine Insel und robinsoniert sich so einige Zeit durch, bis schließlich eine vermeintliche Mörderin (Karin Eckhold) und ein sie bewachender Polizist (Gottfried Kramer) ebenfalls angespült werden. Was zu einem flotten Dreier werden könnte, endet in einem nervenzermürbenden Kleinkrieg zwischen den Dreien. Von dem schließlich gebauten Floß stürzt dann der Polizist ins Meer und wird unter mehreren Haien aufgeteilt. Die beiden anderen landen wieder auf besagter Insel und beschließen, dort zu leben.

Die Grundidee der Handlung ist gar nicht mal schlecht, aber zu schnell verliert sich die Geschichte in den endlosen Diskussionen über das Ob und Wenn des geschehenen Mordes. Dabei kann man die eintretende Ermüdung weder dem Hörspiel als solchen noch den Sprechern vorwerfen, nein, meines Erachtens liegt es vielmehr an Konsalik, der eine gute Idee ausbluten läßt. Aber man muß zugeben, dass die Cassette wirklich unterhalten kann, Kramer und Friedrichsen machen es möglich.

Bestellnummer: 551.004.0


[5] Marie Louise Fischer: Zerfetzte Segel

Segel>
Dieser Roman muß ganz nach dem Geschmack Frau Körtings gewesen sein: alles spielt in der ach so aufregenden Welt des Films, der Stars und Sternchen. Eine Schauspielerin verschwindet und - wen überrascht es - wird später ermordet aufgefunden. Die Dramaturgin des Films Monte van Millendonk (Monika Gabriel) ermittelt mit sehr viel Eifer, aber nur mit sehr wenig Routine. Alle sind verdächtig, jeder der am Film Beteiligten hatte einen Sack voll Gründe, die verschwundene Sybill zum Teufel zu wünschen. Nach endlosen Verhören, Besuchen und Spekulationen war's dann Herr Büsow, der Ex-Freund Sybills (Wolfgang Völz in einer absoluten Fehlbesetzung).

Der erste Einbruch in der netten Bestseller-Reihe. Anfangs hofft der engagierte Hörer immer noch, der Kreis der Verdächtigen bleibe übersichtlich, aber die Personenliste sprengt die von Ali Baba und den 40 Räubern. Auch verliert sich das Hörspiel in Nebenhandlungen: drogenverkaufende Ärzte, verrückte Maler und Stammtischphilosophien über den Sinn des Lebens sind da nur einige deplazierte Zutaten.

Monika Gabriel wirkt leider - man muß es sagen - zu unbeteiligt, um den Hörer wirklich mitfiebern zu lassen. Im Gegenteil: manchmal packt einen der Ärger darüber, dass die gute Dramaturgin alle Freunde und Bekannten Sybills ausfragt und bedrängt.

Bestellnummer: 551.005.8


[6] Will Berthold: Nachts, wenn der Teufel kam

Teufel
Glaubt man dem Abspann des Hörspiels, so handelt es sich bei dieser äußerst gelungenen Produktion um die Schilderung eines tatsächlichen Kriminalfalles aus dem Dritten Reich. Ganz im Gegensatz zu Konsaliks "Fronttheater" (s.o.) werden hier die Verhältnisse sehr viel einfacher, gleichzeitg aber ungleich bedrückender geschildert: der geistig zurückgebliebene Bruno Lüdke (Claus Wilcke) tötet zahlreiche Frauen, die er nach dem Mord vergewaltigt. Mehrere Gründe verhindern zunächst, daß er als Mörder entdeckt wird. Entscheidend ist in erster Linie, daß der Fall durch die SS zur "Geheimen Reichssache" erklärt wird: keine Informationen, keine Fahndungsplakate werden veröffentlicht. Man will nicht eingestehen, daß es bisher nicht gelungen ist, einen schwachsinnigen Mörder zu fassen (Zitat: "Der Mann ist ja noch nicht mal Jude!"). Erst ein couragierter Kommissar (Douglas Welbat) kombiniert richtig, deckt die Zusammenhänge auf und kann Lüdke sogar zu detaillierten Geständnissen bewegen. Trotzdem: ein Prozeß soll ihm nicht gemacht werden. Sozusagen bei Nacht und Nebel wird Lüdke nach Wien geschafft, ohne Verhandlung, ohne Urteil wird er durch eine Giftspritze hingerichtet.

Jürgen Thormann bewährt sich hier als Erzähler, und wenn er auch manchmal etwas zu dick aufträgt, so gibt seine Leistung der Geschichte ein stabiles Korsett. Claus Wilcke überrascht mit einer unglaublich dichten und bedrückenden Darstellung des "doofen Bruno": debil, bauernschlau, gefährlich und letzten Endes - bedauernswert. Erst ein Täter, dann das Opfer. Sein Tod am Ende des Hörspiels geht einem nah: der Mord an ihm ist grausamer und menschenverachtender als alle Taten Brunos selbst. Beeindruckend auch Günther Ungeheuer, der in einen kleinen Rolle als SS-Offiziers mit wenigen Sätzen eine Bedrohlichkeit ausstrahlt, die wie eine bleierne Glocke das Hörspiel umgibt. Douglas Welbat - damals EUROPA-Neuling - hat die dankbare Aufgabe, den unermüdlichen Polizeibeamten Franz zu spielen, und auch er überzeugt. Nach meinem Dafürhalten ist dieses Hörspiel der Höhepunkt der Bestseller-Reihe.

Bestellnummer: 551.006.6


[7] Will Berthold: Madeleine, Tel. 13 62 11

Madeleine
Ach du heiliges Kanonenrohr: mit dem Versuch, die Problematik der Callgirls in den prüden 60er Jahen aufzuarbeiten, erlitten Autor, Bearbeiter und Regisseurin einen erbärmlichen Schiffbruch: Karin, eine Jura-Studentin (Astrid Kollex in einer Rolle, für die sie Jahrzehnte zu alt ist), trifft ihre Schulfreundin Madeleine wieder (Ursela Monn als 2. Besetzungsfehlgriff). Trotz offensichtlicher Anzeichen dafür, daß Madeleine ein Callgirl ist, begreift die gute Karin erst nach und nach. Dann aber beschließt sie, Madeleine aus dem Milieu herauszuhelfen. Der Weg führt zur Puffmutter Frau Clavius (Gisela Trowe in einer Glanzrolle!) und Karin gibt sich ihr gegenüber auch als Callgirl aus. Karins erster Kunde wird dann ein Herr Siebert (der in der Besetzungsliste ohne Umschweife als "Kommissar Siebert" entlarvt wird). Einen nicht zu verhindernden Reinfall erleidet in dieser Rolle Uwe Friedrichsen. Nach vielem Hin und Her, Liebe hier, Haß dort, Eifersucht und Groschenmoral endet dieses 70-Minuten-Hörspiel - na sowas - mit einem Happy-End: Uwe F. sprengt den Callgirlring und alle haben sich wieder gern.

War man bei "Nachts, wenn der Teufel kam" noch bereit, den Hut vor Herrn Berthold zu ziehen, so bereut man diesen Entschluß bereits nach den ersten 10 Minuten dieses Machwerks. Es gibt wirklich kaum etwas, was nicht an den Haaren herbeigezogen ist. Ein kleiner Lichtblick ist Frau Trowe, die als einzige ihre Rolle auszufüllen vermag. Ursela Monn ist so verführerisch wie eine Zeitansage und Astrid Kollex nutzt jede Gelegenheit, um den eklatanten Widerspruch zwischen ihrem Ausdruck und ihrer Rolle herauszustellen. Entweder war das Regiepult bei den Aufnahmen zu dieser Produktion nicht besetzt oder man hoffte, auf die Qualität von Folge 7 dieser Reihe käme es nicht mehr an ...

Bestellnummer: 551.007.4


[8] Utta Danella: Der Schatten des Adlers

Adler
Mord in einem kleinen österreichischen Dorf. Der junge Held unserer Geschichte Severin Lanz - gesprochen von Volkert Kraeft - kommt genau rechtzeitig, um die Ermittlungen der Mordkommission mitzuerleben und selbst diesbezüglich aktiv zu werden. Dabei ist die Ehefrau des Ermordeten (Ruth Niehaus) so verdächtig, daß sie jeder Krimiliebhaber sofort von der Liste der Verdächtigen streicht. Am Ende stellt sich heraus, daß der Tote einer alten Blutrache zum Opfer fiel. Leider wird die ganze Vorgeschichte dazu im Roman nicht mit einem Wort erwähnt und muß in den letzten Minuten des Hörspiels entwickelt werden. Klassenziel nicht erreicht, setzen - fünf!

Das Hörspiel schrammt nur knapp an einer schlechten Bewertung vorbei. Die Geschichte ist dürftig, wenngleich die Wohnzimmerszenen bei Mutter Jarisch (Marianne Kehlau) nett klaustrophobisch-spießig wirken. Und die meisten Sprecher der Nebenrollen geben sich alle Mühe, ihren Charakteren etwas Leben zu verleihen, allen voran Frau Kehlau (wie immer, möchte man fast sagen) und Helmut Zierl (als flügellahmer Liebhaber). Gottfried Kramer in einer kleinen Nebenrolle als Wirt ist so österreichisch wie Matjes mit Bratkartoffeln und Stippe, aber allemal unterhaltsam. Die beiden Sprecher der Protagonisten (Volkert Kraeft und Ruth Niehaus) entgehen nur knapp einem Debakel, was angesichts der seltsamen Handlung erklärbar, aber nicht entschuldbar ist.

Bestellnummer: 551.008.2


[9] Ephraim Kishon: Paradies neu zu vermieten

Paradies
Eindeutig die kürzeste und kurzweiligste Produktion der Bestseller-Reihe. Mehrere nicht miteinander in Zusammenhang stehende Episoden aus Kishon's gleichnamigen Buch unterhalten den Hörer und es scheint, als hätten auch die meisten Mitwirkenden Spaß an ihrem jeweiligen Part gehabt. Manfred Steffen spricht den erzählenden Kishon souverän und mit einem grüblerischen Lächeln im Mundwinkel. Ihm zur Seite stehen u.a. Gottfried Kramer, der als Erzengel Gabriel das Paradies nach dem Auszug der Adams nicht wieder vermietet bekommt, Peter Pasetti als Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses, welcher die Abschreibungspolitik eines staatlich geförderten Unternehmens nicht mit der notwendigen Großzügigkeit betrachtet und Horst Frank, der als Sozialhilfeempfänger den Großteil seiner Einnahmen aus Honoraren bezieht, die ihm die Medien zahlen, um über seine Armut berichten zu dürfen - nach vorheriger Terminabsprache natürlich.

Leider völlig unpassend ist die beigemischte Musik, die wohl jiddisch klingen soll, sich aber immer anhört, als verbringe man einen Abend auf der Alm. Letzteres ist allerdings nicht so störend, als daß man sich bei entsprechender finanzieller Ausstattung nicht ein Exemplar dieses Hörspiels zulegen sollte.

Bestellnummer: 551.009.0


[10] Barbara Noack: Der Bastian

Bastian
Taschentücher raus und alle Kälberstricke, Skalpelle und Handfeuerwaffen wegschließen! Sicherlich war beabsichtigt, eine kleine Liebesgeschichte zu erzählen, und dies ohne großes Brimborium. Und das gelingt auch - aber gleichzeitig gerät das Hörspiel so bedrückend depressiv, daß man die Cassette nicht allein an einem verregneten Sonntagnachmittag hören sollte. Bastian Guthmann (Horst Janson, der den Bastian auch in der gleichnamigen ZDF-Fernsehserie spielte) lernt die junge Ärztin Katharina Freude (Karin Anselm, ebenfalls die Originalbesetzung des TV-Mehrteilers) kennen. Er verliebt sich noch im Krankenhausflur in sie und umgarnt sie fortan mit dem Charme des ewigen Studenten. Da die couragierte Ärztin jedoch besonnen mit beiden Beinen im Leben steht, prallen zwei Welten aufeinander. Für eine kurze Zeit ist jeder der beiden fasziniert von seinem Gegenüber, dann aber holt sie die Realität ein. Das Strohfeuer erstickt so schnell, wie es kam beide gehen einsam in ihr bisheriges Leben zurück.

Horst Janson und Karin Anselm brillieren in einem wirklich guten Aufguß der Fernsehserie, sind ganz offensichtlich aufeinander eingespielt und ergänzen sich hervorragend. Etwas störend erzählt Ruth Niehaus, die nicht die Einfühlsamkeit mitbringt, um das dezent gestaltete Spiel der Protagonisten zu stützen. Gar nicht mal schlecht in einer kleinen Nebenrolle: Joachim Wolff als Chefarzt.

Auch hier ließ sich Peter Tschaikowsky überreden und komponierte eine passende Hintergrundmusik, die er dann noch einmal in seinem ersten Ballett "Schwanensee" verwandte.

Bestellnummer: 551.010.4


Appendix

Als Schmankerl gab es zu dieser kleinen Serie eine Werbecassette, in der Horst Frank und Pinkas Braun die einzelnen Folgen vollmundig anpreisen, mit ihren eigenen Namen Werbung machen und einem das Gefühl vermitteln, das Lebensziel verpaßt zu haben, wenn diese Produktionen im heimischen Cassettenregal fehlen. Kleine Ausschnitte der Aufnahmen (schlecht ausgesucht und miserabel ein- und ausgeblendet) sollen offenbar den entscheidenden Kaufimpuls geben. Vielen Dank für diese Selbstbeweihräucherung, erst diese Cassette macht die Bestseller-Sammlung komplett!


Fazit

Trotz aller Kritik kommt man nicht umhin zu sagen, daß diese kleine Reihe schon repräsentativ dafür ist, wie EUROPA einmal Hörspiele produziert hat: Sicherlich wurde nur selten Weltliteratur verarbeitet und das Endprodukt Hörspiel kam auch nie in den Verdacht, internationale Preise gewinnen zu können. Aber seien wir mal ehrlich: wie oft tragen wir Kleidung von Versace und Dior, essen á la Bocuse oder wohnen im Hotel "Vier Jahreszeiten"? Unser Alltag sieht ganz anders aus, und für diesen Alltag waren und sind diese Hörspiele eine wirklich nette Unterhaltung.

Marcus Ebeling

Kommentare

Philipp Mevius schrieb am 31. 08. 2010: Von diesen MCs habe ich noch nie eine gesehen. Wäre mal gespannt wenn ich eine Folge bekäme. Haben wegen der geringen Auflage bestimmt einen sehr hohen Preis.

Karsten schrieb am 13. 09. 2006: Hallo Marcus,

unter Deinem \"Fazit\" erwähnst Du, daß \"nur selten Weltliteratur\" bei Europa verarbeitet worden sei. Dem kann ich nicht beipflichten.

Europa begann mit den Märchen der Grimms, Hauff, Andersen, verarbeitete dann den auflagenstärksten deutschen Autor bis dato - Karl May - und ließ so ziemlich keinen Roman der Weltliteratur (Jules Verne, Dumas, Melville, Stevenson, Anna Sewell) aus. Ich meine sogar, daß Europa, erst als so ziemlich alle anderen schriftlich vorhandenen Quellen abgegrast waren, sich den \"moderneren\" Ergüssen der Literatur widmete, nämlich dem Enyd-Blyton-Gesamtwerk und den ??? von \"Hitchcock\". Mit \"Hui Buh\" und \"Hexe Schruumpeldei\" ist man dann zu einer Art Märchen zurückgekehrt. Als in den 80er Jahren die Gruselserie erschien und Sachen wie Macabros, Masters of the Universe etc. war die Schwelle zur Trivialliteratur endgültig überschritten und auch die Zeit der großen Hörspiele vorbei.

Uwe schrieb am 20. 11. 2005: Zu "Nachts, wenn der Teufel kam":
In der Tat bedrückend. Aber leider wird hier ein ernstes Thema auf die bei Europa damals leider übliche reißerische Art behandelt: Einige Morde von Lüdtke werden in aller Breite lustvoll ausgespielt - das hätte nicht sein müssen und dient wohl nur der Befriedigung der voyeuristischen Wünsche einer bestimmten Sorte von Hörern.
Bedenklich auch, dass zwar einerseits der nationalsozialistische Unrechtsstaat angeprangert wird, auf der anderen Seite aber die Schrecknisse des von den Nazis angefangenen Weltkrieges (Luftangriffe, ausgebombte Menschen, Hunger, etc.) völlig ausgeklammert werden. Am Schluss gibt es sogar die altbekannte Formulierung "Dann kamen die Russen." Dass die Sowjetarmee letztlich mitgeholfen hat, Deutschland von dem Nazi-Terrorregime zu befreien, wird dabei geflissentlich unterschlagen.
Insgesamt: Keine Empfehlung von mir.
@ Sven H.: Der Ausdruck "Machtergreifung" beschreibt den Vorgang überhaupt nicht präziser, im Gegenteil, er verfälscht ihn. Er klingt nämlich so, als hätten die Nazis die Macht an sich gerissen. Das stimmt aber nicht, wie du hoffentlich weißt. Die damaligen obersten deutschen Politiker Hindenburg und von Schleicher haben der NSDAP und der DNVP freiwillig die Regierungsgeschäfte übergeben. "Machtantritt" trifft es daher schon eher. Ganz präzise müsste man von einer "Machtübergabe" an Hitler sprechen.

Jooce schrieb am 30. 04. 2005: Dieses Special klärt ja einiges über die Herkunft der musikalischen Untermalung auf. Sogar der Vergleich mit der Musik von der "Alm" (Folge 9) trifft zu. Die Titelmelodie heißt "Das Madl vom Forstsee", gespielt von "Die steierische Bauernkapelle Josef Berger", Komponist "Bert Brac", zu finden auf EUROPA LP E 196: "Vom Wolfgangssee zum Tirolerland - Singendes, klingendes Österreich".

Tasso schrieb am 15. 11. 2004: "Nachts, wenn der Teufel kam" gabs in den 50er Jahren als hervorragenden SW-Film von dem Meisterregisseur Robert Siodmak (mit Mario Adorf?). Es handelt sich bei der Vorlage tatsächlich um einen Tatsachenbericht. Er wurde als solcher in der Münchner Illustrierten abgedruckt.
So vermute ich schwer, das Berthold auch für "Madeleine, Tel. 13 62 11" diesmal im Rotlichtmilieu recherchiert hat und es sich hierbei - wenns auch wirkt wie an den Haaren herbeigezogen - ebenfalls um einen Tatsachenbericht handelt.
Naja - "Nachts wenn der Teufelkam" ist in jedem Fall eine geniale Vorlage für Hörspiel und Film gewesen



martin schrieb am 29. 01. 2004: Kenne leider nur "Leibarzt der Zarin" welches mit über 55 Minuten Laufzeit eine unglaubliche Stimmung erzeugt. Auf jeden Fall eines der besten Hörspiele von Europa überhaupt. Gisela Trowe ist einfach glänzend in ihrer Rolle.

Pink-Lady schrieb am 26. 07. 2003: Tolles Special!
"Palmen..." ist ein Super-HSP!
Bitte macht für die "Roman-Serie" auch ein Special. Danke !

Marc schrieb am 16. 07. 2003: Ich finde Sie alle 10 einfach klasse.
Im übrigen ein tolles Special.
Herzlichen dank dafür.
Wäre es möglich für die Roman -Serie
ähnliches zu machen?
Eine herrliche Serie.

Jora schrieb am 28. 04. 2003: Durch die Bank handelt es sich hier um unausgegorene Schnellschuss-Produktionen, die alleine durch die Sprecher aufgewertet werden. In einigen Fällen (wie z.B. "Nachts, wenn der Teufel kam, oder "Wer stirbt schon gerne unter Palmen") können aber auch sie nichts mehr retten, und die Langeweile nimmt ihren Lauf ...

Sven H. schrieb am 22. 03. 2003: Interessant, daß Jürgen Thormann in "Nachts wenn der Teufel kam" von "Hitlers Machtantritt" spricht. Hat man das jemals so genannt? "Antritt", das klingt so würdevoll ... heutzutage hört man doch immer wieder nur von der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten. Ist auch besser, weil dies den Vorgang präziser beschreibt.

Harald schrieb am 16. 12. 2002: Kenne nur den Kishon, die "Palmen" und "Nachts wenn der Teufel kam".

Für mich aber schon damals Meilensteine des Hörspiels! Wie sich Kramer und Friedrichsen duellieren (natürlich nur mit Worten) ist kaum besser zu machen. Dem "Teufel" Claus Wilcke hätte ich - nach seinen Shatterhand-Rollen in "Old Surehand" nie und nimmer eine solche Klasseleistung zugetraut. Aber man täuscht sich ja gerne. Und die Kishon-Cassette hat nur einen Nachteil: Viel zu kurz! Davon hätte man gerne mehr gehört. Steffen spielt den Kishon großartig!

Die Dinger wären eine Wiederveröffentlichung allemal wert.

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