Rückkehr der Klassiker

Oliver Twist


Er nörgelt wieder über die "stinkige Wassersuppe", bittet folgenreich um Nachschlag, flüchtet vor Prügel, Kälte und Banden-Terror: "Oliver Twist" gehört zu den bislang noch raren Wiederveröffentlichungen aus dem Ur-Repertoire von Europa - auf CD und Cassette. Produziert vor über 30 Jahren, gehört das Hörspiel zu den spannendsten aus dem Hause Miller.

Beruhigend für Nostalgiker: Das Cover blieb nahezu unverändert, nur ein blassgelber Rahmen umzingelt die Zeichnung, auf der Oliver vor Fagin und seinen Klein-Ganoven davonläuft. Und natürlich weiß der Rechte-Inhaber BMG, mit welchem Pfund er zu wuchern hat: Der Vermerk "Mit Hans Paetsch" dürfte auch denen das Portemonnaie öffnen, die "Oliver Twist" nicht im Regal hatten, aber die berühmteste Stimme des (West-)Deutschen Hörspiels lieben.

Auch akustisch bleibt alles beim Alten, das Original wirkt unverändert. Warum auch, wenn der Hörer bei dieser Version sofort mitten in der Atmosphäre der traurig-schönen Geschichte vom Waisenjungen mit der rätselhaften Vergangenheit steckt? Dank Teller- und Besteck-Klappern sitzt man neben Oliver in der Kantine und streift später durch die Straßen Londons, auf denen Pferdehufe trappeln.

Der Charme bleibt also - und die wenigen Dinge, die gegen die Produktion einzuwenden sind: Denn natürlich ist die Geschichte in 42 Minuten nur erzählbar, wenn sie brutal gerafft wird. Was Regisseur Konrad Halver tat. Die vielen inhaltlichen Verflechtungen auseinanderzuklamüsern, ist lediglich mit gespitzten Ohren möglich. Und mit zarten sechs Jahren ("Für alle von 6 bis 99") kaum zu schaffen. Leider gerät ausgerechnet die Hauptfigur ins Hintertreffen: Oliver Röhricht als Twist taucht zu selten auf. Schau(hör)spielerisch fällt eigentlich nur Ingo Eggers als Jack Dawkins aus dem Rahmen, der den kindlichen Taschendieb arg gekünstelt gibt.

Trotz alledem: immer wieder spannend, dieser "Oliver Twist", nicht zuletzt dank der alten Haudegen Horst Beck (als Fagin) und Katharina Brauren (Mrs. Maylie). Bliebe nur noch ein Wort zur optischen Gesamtgestaltung des Wiederkehrers. Die könnte nämlich liebevoller sein. Sprecherliste, Inhaltsangabe, nochmal dieselbe Abbildung wie vorn, das war's. Eine kleine Fotogalerie der Stimmgeber von damals hätte eine Verbeugung vor Paetsch und Co. sein können. Schade.

Mark Daniel

Unsere Bewertung:



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