Rückkehr der Klassiker

Der kleine Lord


"Ich dulde nicht, dass er einer gewöhnlichen Katze hinterläuft!" Wohl niemand sonst kann soviel Missmut, Arroganz, Verschnupftheit und Autorität in diesen Satz legen wie er: Hans Paetsch als Graf von Dorincourt in "Der kleine Lord"! Natürlich wird die Sprecher-Legende zuallererst als Erzähler irrsinnig vieler Geschichten geliebt. Geht's um eine Rolle als Sprecher, fällt flugs der Name Intschu-Tschuna, dem er in "Winnetou I" seine Stimme lieh. Sein hörspielerisches Paradestück aber liefert er hier ab. Einfach großartig, mit welcher Geringschätzung er den "Schuhputzer-Dick" ausspricht, wieviel verletzter Stolz mitschwingt, wenn er von seinem verweichlichten Hund Dougal als "preisgekrönte Dogge" spricht. Oder wie entrüstet er auffährt, als der kleine Cedric erwähnt, Gemischtwarenhändler Mr. Hobbs möge keine Grafen. Wahrlich, Paetsch hätte ruhig noch ein bisschen länger herummuffeln können.

Hobbs wiederum wird perfekt als Gegenentwurf zum schwerreichen Nörgler inszeniert: Franz-Josef Steffens wettert gegen die "Ristokraten" und wünscht sich, "die adelige Mischpoke würde einfach in die Luft gesprengt, jawoll".

Wie schön, dass das Hörspiel von 1976 endlich wieder zu haben ist. Denn diese "Europa"-Produktion von Heikedine Körting kann es tatsächlich mit der Kult gewordenen 1980er Verfilmung des "Kleinen Lords" aufnehmen (auch wenn der akustische Graf eher schrullig ist und Alec Guinness mehr den verbitterten alten Herrn gibt).

Einen Wermutstropfen muss man allerdings in Kauf nehmen: das Cover. Schon die Gestaltung vor 32 Jahren war nicht wirklich ein optischer Leckerbissen, doch die jetzige plumpe Farb-Illustration saust derb an Stil und Botschaft der wunderbaren Geschichte Francis Burnetts vorbei. Und auch diese Neuauflage lässt Fotos - geschweige denn Infos - zu den Sprechern vermissen.

Mankos, die fix vergessen sind beim Hören von Stephan Chrzescinski als herzerweichender Lord Fauntleroy, der den Grafen mit seiner kindlich-natürlichen und menschenfreundlichen Art verzaubert. Lediglich an einer Stelle verschenkt er ein ganz großes Gefühl: Als Dorincourt ihm vorschlägt, "Goldstück" (zauberhafte Reinhilt Schneider!) solle vom Ulmenhof ins Schloss ziehen, kommt sein Satz "Großvater, ich glaube ich muss gleich weinen" nicht wirklich aus dem Innersten.

Schwamm drüber. "Der kleine Lord" ist nicht mehr Flohmarkt-Spitzeln oder Internet-Auktionsfreaks vorbehalten. Grund zum Jubeln! Mark Daniel

Unsere Bewertung:



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